Rund 250 Exponate von internationalen Leihgebern und aus den Beständen der Veste-Kunstsammlungen illustrieren Alltag und Zeitgeist der Epoche und säumen den rund 800 Meter langen Rundgang von der Lutherkapelle über die Große Hofstube zu den Lutherzimmern, der durch Dörfer, Städte, Klöster und Ritterburgen führt. Vom digitalen Zufallsgenerator erhält jeder Besucher am Start einen virtuellen Begleiter und mit ihm einen ganz individuellen Blickwinkel als Bauer, Handwerker, Künstler oder Aristokrat auf die sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Umwälzungen. Nicht nur ans junge Publikum richtet sich der Appell „Schau hin“, der an den Medienstationen dazu ermuntert, spielerisch und interaktiv ein Gespür für die Geschichte zu entwickeln: Am Medientisch „Was isst der Bauer?“ lässt sich der karge Speiseplan des armen Landvolks zusammenstellen, das Apostel-Glücksrad verlost Schutzheilige und Dürers berühmter Stich „Ritter, Tod und Teufel“ wird visuell entschlüsselt.
Magischer Spiegel
Im Luther-Zimmer, dem „emotionalen Zentrum“ der Schau, verblüfft ein riesiger „magischer Spiegel“ die Betrachter: Wie von Zauberhand geschrieben erscheinen flüchtige Luther-Zitate und künden von den produktiven Gedanken und profanen Nöten, die den Veste-Gast während seines sechsmonatigen Aufenthalts umtrieben: „Was Dolmetschen für Kunst und Arbeit sei, das hab ich wohl erfahren“, notierte er ebenso wie Klagen über Ohrensausen und quälende Verstopfung.
Als er in Coburg weilte, lag die Initialzündung seiner Kirchenkritik bereits 13 Jahre zurück. Die Ausstellung führt sie ganz konkret vor Augen: Am Holzportal der Wittenberger Schlosskirche verweisen nurmehr Fetzen an den symbolträchtigen Akt des Thesenanschlags, der womöglich niemals stattgefunden hat. Doch Luthers Gedanken fanden ihren Weg zum Volk: Sein revolutionärer „Sermon von ablaß und gnade“ wurde zum Bestseller und darf in dieser Schau so wenig fehlen wie weitere Dokumente der medialen Revolution, die den aufrührerischen Ideen zu Popularität verhalfen: Flugschriften, Kampflieder, Karikaturen.
Freiheit als sensibles Gut
Die konkreten Auswirkungen der Kirchenspaltung – vom friedlichen Zusammenleben bis zum dauerhaften Streit – beleuchtet die Ausstellung anhand von Beispielen aus Thüringen, Franken, Altbayern und Schwaben. Bis in die jüngere Geschichte wird der Rezeption Luthers nachgegangen – und seiner Instrumentalisierung im Sinne der jeweiligen Machthaber, die nicht immer dem Geist der Freiheit verpflichtet war.
Ihr ist darum die letzte Station der Ausstellung gewidmet, eine begehbare Installation, die sich als gestaltbarer Freiheitsraum entpuppt: Mit jeder Bewegung verändert der Besucher die Projektion von Zitaten von Cicero bis Schiller, von Luther bis Luxemburg, und erlebt die Freiheit als sensibles Gut. Immer in Bewegung und immer bedroht.
Informationen im Internet gibt es hier und hier