Philip Glass' „Untergang des Hauses Usher“ in der Inszenierung des Theaters Hof "Der Untergang des Hauses Usher" in der Stadthalle Bayreuth

Von Frank Piontek

Ein starkes Stück Musiktheater, schwacher Besuch: Das Theater Hof gastierte am Wochenende mit "Der Fall des Hauses Usher" von Philipp Glass. Der Kurier-Kritiker war begeistert. Und stand hinterher vor einigen Rätseln, die nichts mit der symbolisch aufgeladenen Atmosphäre der Inszenierung zu tun hatten.  

 
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„Starr, trüb, tonlos und tief im Herbste des Jahres“, in diesem ungemütlichen Ambiente hat Poe die grauenvolle Geschichte des „Falles des Hauses Usher“ angesiedelt. Sie beginnt im Nebelgrau – und endet im Crescendo eines Untergangs, der in den kataraktartigen Lärm eines riesenhaften Risses im Gemäuer endet.

Auch die Bühne der Oper, die Philipp Glas 1985 zur Uraufführung brachte, und die nun in einer konzentrierten, symbolisch bildhaften Inszenierung Kay Neumanns im Hofer Gastspiel in die Stadthalle kam, ist zumeist dunkel. Sie wird nur erhellt vom Licht, den die Scheinwerfer auf die einsamen Protagonisten werfen.

Das einzig wirklich Schockierende an diesem Abend ist allerdings nicht das Zeitlupentempo, mit dem die Geschichte zusätzlich ins Irreale gedreht wird, auch nicht die psychisch finstere Geschichte, die sich um die Degeneration eines dem Verfall gewidmeten Geschlechts im englischen Gruselland dreht. Es ist die unverständliche Tatsache, dass an diesem erstklassigen Abend nur 60 Bayreuther den Weg in die Stadthalle finden (am zweiten Abend waren es wesentlich mehr Besucher, Anm. der Redaktion).

Liegt's daran, dass der weltbekannte Poe inzwischen nicht mehr so bekannt ist? Dass Philip Glass, einer der populärsten Komponisten relativ neuer wie durchwegs anhörbarer Musik, in Bayreuth weniger bekannt ist als in New York? Oder dass der Titel der berühmten Erzählung dem sog. Breiten Publikum nichts mehr sagt? Oder dass die Bayreuther nur altgierig sind?

Provozierte Katastrophe

Dabei ist Glass' Musik ausgesprochen angenehm; Arn Goerke leitet das kleine Ensemble ausgesprochen sicher. Was aufs erste Hören vielleicht noch monoton klingt, ist in Wahrheit differenziert, klanglich zart und dramatisch schlagkräftig, mit einem Wort: ideale Opernmusik. Spielt Roderick (ein guter, leicht heldenhaft eingefärbter Tenor: Mathias Frey) schon bei Poe die Gitarre, hören wir ein entzückendes Trio von Gitarre, Violoncello und Flöte. „Mancher Klang scheint Geschrei“, heißt es einmal, aber es stimmt nicht.

ie Vokalisen, die die kranke und schließlich tote Schwester des Roderick Usher zu singen hat, beweisen sofort, dass Moderne und Schönheit des Gesangs kein Widerspruch sein müssen. Inga Lisa Lehr schenkt der gespenstischen Erscheinung mit den langen, roten Haaren ihren goldenen Sopran: auch als Stimme aus dem Untergrund des Orchestergrabens. Birger Radde vertritt mit seinem beeindruckenden Bassbariton die Erzählerposition von Poes Story: ein seinerseits labiler Mann, der, wer weiß, im gemütskranken Freund sein anderes Ich entdeckt. Nur, dass dieses andere Ich offensichtlich inzestuös mit der kranken Schwester verkuppelt ist, was die Katastrophe nicht aufhält, sondern vielleicht erst provoziert.

Dies ist wahrlich eine starke, doch mögliche Interpretation der geheimnisvollen Geschichte Edgar Allan Poes. Von irgendwoher muss ja der Untergang kommen...Was bleibt, ist der zauberhafte Klang der Spieldose – und die Erinnerung daran, dass das ganz und gar nicht erschreckende, sondern einfach gut gemachte Musiktheater der bereits klassischen Moderne es in Bayreuth schwer hat.