Kellerkommando gastiert am 9. Juli beim Waldstock Open Air in Pegnitz – Sänger David Saam: „Fränkische Weisen können sehr derb sein“ „Wir machen die Volksmusik von morgen“

 Foto: red

PEGNITZ. Einen solch schrillen Musikmix hat Pegnitz noch nicht erlebt: Beim Ensemble Kellerkommando aus Bamberg, dem nichts heilig ist, treffen fröhliche Kerwa-Liedl auf frechen Russenrap, fette Beats auf flotte Bläserklänge. Fränkische Musikpuristen würden sofort Zeter und Mordio schreien („Die hom woll ned alla aufm Christbaam!“).

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Aufgeschlossene Zeitgenossen bringen dem Sänger und Akkordeonspieler der siebenköpfigen Band, David Saam, wegen der unverkrampften und originellen Musikmischung, bei der man ohne Ende tanzen muss, viel Sympathie entgegen („Su a Freggerla“). Am 9. Juli ist das Kellerkommando beim Waldstock Open Air, das der Kurier präsentiert, in Pegnitz zu hören und zu sehen. Kurier-Mitarbeiter Stephan Stöckel sprach im Vorfeld mit dem Kopf der Gruppe, Sänger und Akkordeonspieler David Saam.

Frage: Was hat Sie dazu veranlasst, scheinbar unvereinbare musikalische Stile miteinander zu vermischen?

David Saam: Mich beschäftigt die Frage, wie man traditionelle Musik in die heutige Zeit übertragen kann. Es gibt eine museale Volksmusikpflege, bei der nur der alte Zustand konserviert wird. Was im Museum steht, lebt aber nicht. Volksmusik ist immer mit der Mode gegangen. Das ist überhaupt nichts Verwerfliches. Wir verbinden traditionelle Klänge mit dem, was heute musikalisch angesagt ist. Das Reizvolle daran ist, Gegensätze zu vereinen. Es funktioniert, weil jeder auf seinem Gebiet authentisch ist. Ich zum Beispiel verstehe was von Volksmusik und Rapper Schokk von russischem Sprechgesang.

Frage: Passen „Kerwa und Coolness“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ Ihre Musik beschrieb, überhaupt zusammen?

Saam: Selbstverständlich! Vor allem in textlicher Hinsicht gibt es Schnittmengen zwischen Rap-Songs und Kerwa-Liedla: Fränkische Weisen können sehr derb sein. Ebenso wie der amerikanische Sprechgesang beschäftigen sie sich mit lebensbejahenden Themen wie Bier, Feiern und Sex. Zudem gibt es auch bei den Kerwa-Liedla Schmäh- und Spottverse. Daran sieht man, dass auch Kerwa cool sein kann.

Frage: Sie bezeichnen ihre Gruppe als „Traditionspanscher“. Ist dieses Etikett für Sie inzwischen zu einem Markenzeichen geworden, auf das Sie stolz sind?

Saam: Wir können gut damit leben. Es gibt Leute, die glauben, man dürfe die Tradition nicht verändern. Wir halten es eher mit Max Frisch, der einst feststellte: „Stillstand ist der Tod.“ Wir sehen uns in der Tradition früherer Musikanten, die das spielten, was ihnen persönlich gefallen hat. Heute befinden wir uns in einer größeren, vernetzten und globalisierten Welt. Dadurch kann es passieren, dass wir andere Einflüsse in unsere Musik mit aufnehmen, eine finnische Polka zum Beispiel oder eine Melodie aus Österreich. Wenn uns das Ergebnis gefällt, panschen wir es gerne zusammen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf fränkischem Musikgut.

Frage: Sie spielen auch bei den Gruppen Boxgalopp und Rohrfrei. Warum wollen Sie die Volksmusik von ihrem verstaubten Image befreien?

Saam: Weil mich Musik mit Wurzeln interessiert. Viele Volksmusikstücke stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Es ist faszinierend, welch langen Weg eine Weise wie „Wo is denn das Gerchla?“ zurückgelegt hat. Die jungen Leute von heute kennen es immer noch. Unverstärkt Musik zu spielen und gemeinsam im Wirtshaus miteinander zu singen, ist etwas Schönes und vor allem Spannendes. Ich denke, so wie die Leute regionale Gaumengenüsse entdecken, so begeistern sie sich auch für die alten Lieder. Das ist ein Gegenpol zur Globalisierung, der unterschiedliche Generationen vereint.

Frage: Wie reagieren eingefleischte Stadl-Fans auf Ihren Anti-Stadl (Jährliche Musikveranstaltung in Bamberg, Anm. d. Red.)?

Saam: Ich habe noch keine getroffen. Sie sollen gerne ihren volkstümlichen Schlager hören und glücklich damit werden. Junge Leute finden die Musik, die im Musikantenstadl gespielt wird, nicht aufregend. Sie wollen auch keine bayerische Stubenmusi, wo Musiker mit versteinerter Miene Stücke spielen. Sie sehnen sich nach einem Sound, der jung und frech ist. Wir zeigen den Leuten, dass Volksmusik auch Spaß machen kann. Diese Freude überträgt sich aufs Publikum, das wir mit einem Lächeln im Gesicht aus unseren Konzerten entlassen.

Frage: Welche Reaktionen bekommen Sie von jungen Leuten zu hören, die Rapper wie Bushido oder Sido hören?

Saam: Keine. Die klassischen Hip-Hop-Fans, die diese Künstler hören, gehen nicht auf unsere Konzerte. Für sie ist unsere Musik zu experimentell. Kellerkommando ist Popmusik mit volksmusikalischen Einflüssen. Man könnte auch sagen: Es ist die Volksmusik von Morgen, bei der jüngere und ältere Fans zueinander finden. Die jüngeren sind offen für den Rap, die älteren erfreuen sich an der Volksmusik.

Frage: Was würden Sie sagen, wenn das Publikum auf dem Pegnitzer Schlossberg Bauernmadla und Breakdance zu Ihrer Musik tanzen würde?

Saam: Ich wäre begeistert, glaube aber nicht, dass es dazu kommen wird. Bei unserem ausgefallenen Stilmix springen die Leute eher wild herum. Es wird höchstens mal geschunkelt.

Frage: Haben Sie eine Botschaft an ihre Pegnitzer Fans?

Saam: Sie sollen alle recht zahlreich auf den Pegnitzer Schlossberg kommen, denn das Kellerkommando hat dreifachen Grund zu feiern: Beim Weltmusikwettbewerb Creole schafften wir es ins Deutschlandfinale nach Berlin, bei der VW Soundfoundation überzeugten wir die Jury und die bekannte Konzertagentur Four Artists, bei der auch die Fantastischen Vier und die Gruppe Seeed unter Vertrag sind, die nahm uns unter ihre Fittiche. Wer gedacht hatte, dass Kellerkommando nur in Franken funktioniert, muss sich eines besseren belehren lassen.

Foto: red

Autor