Pater Anselm Grüns Tipps für ein bewussteres und besseres Dasein Mit dem Leben aussöhnen

Von Rainer Unger
Zum Thema „Versäume nicht Dein Leben“ sprach Pater Anselm Grün in der Dr. Stammberger-Halle. ⋌Foto: Rainer Unger Foto: red

„Versäume nicht Dein Leben“ heißt der aktuelle Vortrag von Pater Anselm Grün. Vor rund 600 Besuchern gab er am Mittwochabend in der Dr. Stammberger-Halle Anregungen, Zweifeln zu begegnen, „ob ich mein Leben bis zu diesem Zeitpunkt vielleicht vergeudet habe“ und auch Tipps, „wie ich mein Leben bewusster leben kann“.

 
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Wie bei einem Kartenspiel, in dem mancher nicht selbst spielt, weil er schlechte Karten bekommen hat, gibt es auch Menschen, die glauben, eine schlechte Lebenskarte gezogen zu haben. Sie wollen Zuschauer bleiben und nicht anpacken, weil sie glauben, noch nicht perfekt zu sein und noch eine Fortbildung und danach noch eine machen zu müssen. Dabei versäumen sie aber den Start ins Leben. „Du musst dich dem Leben stellen und darfst nicht ewig am Rand bleiben“, sagte Grün. Wer einen Sinn im Leben sehe, der könne es auch meistern. Viele Menschen bleiben nach Schicksalsschlägen in der Opferrolle. Von diesen „Opfern“ gehe aber eine aggressive Energie aus, sie tyrannisierten andere. Diese Menschen müssen erkennen, dass das Schicksal nicht die Freiheit nehmen kann, auf negative Situationen zu reagieren und mit ihnen klar zu kommen. Menschen in der Lebensmitte würfen oft die Frage auf: War das alles? Sie stellten fest, dass sie in ihrem Karrierestreben die Liebe versäumt, keine Zeit für Frau und Kinder oder einseitig gelebt hätten. Sie erlebten eine innere Unruhe und wollten sich vollkommen verändern: eine andere Ernährung, eine andere Lebensweise, ein anderer Mensch werden. „Das ist aber nicht möglich“, verdeutlichte Pater Anselm Grün. Stattdessen sollten sie nicht alles bisher Gelebte ablehnen, sondern es würdigen, sich nicht selbst verurteilen, sondern im Einklang mit sich selbst sein. Sie müssen erkennen, es ist gut, was sie bisher gemacht haben. Es habe keinen Sinn, alles Versäumte nachholen zu wollen, sondern man müsse versuchen, das, was gefehlt habe, ins Leben zu integrieren. Insbesondere im Alter denken viele Menschen, sie hätten ihr Leben versäumt, weil sie immer das getan haben, was andere von ihnen wollten. Sie müssten sich fragen, was sie geschaffen und welche Spuren sie hinterlassen haben. Sie müssten sich mit ihrem ungelebten Leben aussöhnen. Dafür sei es nie zu spät.

Beim Tod eines Menschen haben viele Freunde und Verwandte das Gefühl, dass sie versäumt haben, ihm zu sagen, was sie eigentlich wollten, dass sie nicht mit ihm geredet haben. Liegt ein Mensch im Sterben, dann rede man verschämt übers Wetter, anstelle auszudrücken, was er einem gegeben habe. Man versäume, Abschied zu nehmen.

Pater Anselm Grün prangerte auch den übermäßigen Einsatz von Psychopharmaka an. Diese können zwar oft helfen, oft aber auch ein Leben reduzieren, wenn sie zum Beispiel gegen Schulangst eingesetzt würden. „Schulangst ist etwas vollkommen Normales, das es zu überwinden gilt und deren Überwindung die Kinder stärker macht.“ Wichtiger sei es, dem Kind eine Rolle zu geben, die es binde. Das könne Fußball spielen sein oder eine Tätigkeit als Ministrant.

Die christliche Antwort auf viele Fragen sei die Hoffnung. Sie mache das Leben lebenswert und gebe Mut, es anzupacken. „Durch unser Leben und wie wir es führen, können wir auch anderen Hoffnung machen. In einer Zeit, in der viele durch die Selbstliebe den Bezug zum anderen verloren haben, sei es wichtig, sich auf den anderen einzulassen, damit unser Leben in Fluss kommt.“ Es nütze nichts zu jammern, sondern man müsse aufstehen und das Leben in die Hand nehmen. „Es muss nicht perfekt sein, aber es muss dein Leben sein“, betonte Grün. Für jeden selbst müssten Werte wie Freiheit, Lebendigkeit, Frieden und Liebe stimmen.

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