Oswald Georg Bauers Zauberberg

Von Michael Weiser
Theater-Kenner und Wagner-Experten unter sich: Oswald Georg Bauer und Loriot. Foto: Karl Heinz Lammel/Archiv Foto: red

Ein Mann, ein Wort – und viele Jahre bis zu seiner Einlösung: Oswald Georg Bauer wird in einigen Tagen in Bayreuth nicht nur irgendeine Geschichte der Festspiele vorstellen, sondern die nach seinen Worten erste umfassende Geschichte. „Ich hätte es nicht angefangen, wenn ich gewusst hätte, was ich mir da auflade“, sagt Bauer.

 
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In einer Münchner Wohnung, im Stadtteil Maxvorstadt: An den Wänden des Wohnzimmers prangen gerahmte Stiche und Zeichnungen von Giuseppe Galli da Bibiena, des Innenarchitekten des Markgräflichen Opernhauses. In den Regalen stehen CDs mit Opernaufnahmen dicht gestaffelt. Ein anderer Raum ist mit Büchern bestückt, zum Theater, zur Kunstgeschichte, zu Richard Wagner auch. Man ahnte, dass da ein Bühnenverrückter wohnt, selbst wenn man das Namensschild an der Klingel nicht studiert hätte. Hier wohnt Oswald Georg Bauer, Assistent einst von Wolfgang Wagner, langjähriger Sprecher der Bayreuther Festspiele. Und jetzt ihr höchstwahrscheinlich genauester Chronist.

"Was für ein Massiv"

Die Geschichte der Festspiele von Bayreuth ist so etwas wie das „Zauberberg“-Projekt Oswald Bauers. Thomas Mann wollte seinen „Zauberberg“ als Novelle schreiben; elf Jahre später hatte sich die Idee zu einer kleinen Erzählung zu seinem dickleibigen, legendären Davos-Drama entwickelt. Und Bauer? Hatte 1989 von Wolfgang Wagner den Auftrag für eine Festspiele-Chronik empfangen. Jetzt, über ein Vierteljahrhundert später, meldet er: Auftrag erfüllt. Und sagt: „Als ich losging, wusste ich nicht, was ich da für ein Massiv erkunden würde.“

Im wahrsten Sinne ein Großprojekt sei das geworden, sagt Bauer, „aber das liegt am Thema“. Zwei Bände im Schuber, 1600 Seiten, 1100 Abbildungen – Bauer wird ein Riesen-Ding vorstellen. Neues noch für den hartnäckigsten Wagnerianer, ein Quell, aus dem man auch nach Jahren der Lektüre schöpfen kann. Und das liegt, nach allem, was man sagen kann, eben nicht nur „am Thema“. Wolfgang Wagner hatte Bauer das Versprechen abgenommen, die Geschichte nach Quellen und nur nach Quellen zu schreiben. Bauer las und las. Er entdeckte. Etwa eine Wagner-Büste von Gustav Adolph Kietz. Man könnte auch sagen: die Wagner-Büste schlechthin.

Die Verstrickungen des Clans

Und Bauer reiste. Etwa zum Archiv der Akademie der Künste in Berlin, das den Nachlass von Heinz Tietjen birgt, des Dirigenten, Intendanten, Regisseurs und Quasi-Festspielleiters an der Seite von Winifred während der Nazi-Zeit, studierte Korrespondenzen und Rollenanweisungen von Wieland; sprach auch mit Richard Wagners letzter noch lebender Enkelin Verena Lafferentz. „Sie hat mir sehr viel geholfen“, sagt Bauer, „sie hat ein unglaubliches Gedächtnis.“

Vieles wird zu lesen sein von der eiskalten Majestät des Grünen Hügels, von Cosima. Etwa, wie sie dem revolutionären Bühnenbildner Adolphe Appia mitspielte. Wie sie aus Wagners Erbe jene Germanen-Zerrbilder schuf, an denen sich die Karikaturisten bis zum heutigen Tage berauschen. Auch von den Verstrickungen des Clans kann Bauer künden, lange bevor die Nazis aus dem Hass gegen Juden blutigen Ernst machten, und auch vom ach so sanften Fidi, Siegfried Wagner, und wie er sich im Thronfolgestreit gegen Wagners Lieblingstochter Isolde mit unsauberen Mitteln positionierte. Bauer forschte auch, wie sich aus dem Gedankengut der "Bayreuthianer" um Cosimas Hohepriester Houston Stewart Chamberlain eine Ideologie entwickeln konnte, auf die nach seiner Ansicht die Nazis ohne weiteres zurückgreifen konnten.

Bleierne Wucht. Aber auch auf die leichteren Episoden wird man hoffen dürfen. Etwa der Geschichte von Hans Knappertsbusch, wie er Herbert von Karajan für die Laufbahn des Korrepetitors empfehlen wollte. „Das Foto von dieser Szene hab ich“, sagt Bauer und strahlt. Oder von den Blütezeiten des FC Walhall, der Festspiele-Mannschaft, die sogar mal mit einem Gast namens Uwe Seeler kickte. Eine künftige Ortrud der Festspiele schlüpfte damals in ein ungewohntes Kostüm. „Die Waltraud Meier, die hat damals die Cheerleaderin gemacht“, sagt Bauer und lacht.

In diesem Augenblick wirkt er wie ein Bergsteiger nach geglückter Tour. Als habe er nach langem Marsch endlich einen schweren Rucksack auf dem Boden abstellen können. Wir dürfen demnächst einen ersten Blick in diesen Rucksack werfen.

INFO: Buchvorstellung ist am 26. Juli um 14.30 Uhr in Haus Wahnfried.

Festspielhaus, Festspielhügel, 95444 Bayreuth