Mladen Steko, Trainer von Kickboxerin Christine Theiss, im Interview Theiss-Abschied: "Sie war einfach perfekt"

Der wichtigste Mann am und im Ring: Christine Theiss hört seit zehn Jahren auf die Kommandos von Mladen Steko (rechts). Der Kroate betreibt in München zwei Kampfsportzentren. Foto: imago Foto: red

Nur wenige kennen Christine Theiss als Sportlerin und Mensch so gut wie Mladen Steko: Seit zehn Jahren ist der Kroate ihr Trainer, seit 2007 auch ihr Manager. Am Freitag in der Oberfrankenhalle steht der 37 Jahre alte Ex-Weltmeister im Halbschwer- und Cruisergewicht letztmals in der Ringecke der erfolgreichsten Kickboxerin aller Zeiten.

 
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Herr Steko, wie traurig sind Sie über das Ende der langen Zusammenarbeit?

Mladen Steko: Das ist schon ein zwiespältiges Gefühl. Natürlich ist es für mich nach einer so langen und erfolgreichen Karriere nicht einfach. Nach unserem Abschlusssparring am vergangenen Freitag habe ich gespürt, dass der Abschied weder ihr noch mir leicht fällt. Aber ich bin auch froh, dass es Chrissi gelingt, zum richtigen Zeitpunkt den Absprung zu schaffen: auf dem Höhepunkt ihrer Karriere.

Wird es jemals eine neue Christine Theiss geben?

Steko: Mein Lebensziel war es, Kickboxen populärer zu machen und aus der Schmuddelecke rauszuholen. Dafür war Chrissi als Sportlerin und Mensch wie geschaffen: ihre Ausstrahlung, ihre Bildung, ihre Eloquenz, eine promovierte Ärztin als Kickboxerin – sie war einfach perfekt. Ihre Fußstapfen sind gewaltig. Es wird für jeden und jede andere schwierig werden, diese auszufüllen.

Was zeichnet Christine Theiss als Sportlerin und Mensch aus?

Steko: Ich kenne nur wenige Wettkämpfer, die derart ehrgeizig sind. Wenn sie sich etwas vorgenommen hat, geht sie notfalls mit dem Kopf durch die Wand. Hinzu kommen ihre Geradlinigkeit und mentale Stärke. Ich erinnere mich an unseren ersten Kampf im September 2010 bei Sat 1 im Vorprogramm von Felix Sturm vor 18 000 Zuschauern in der Kölnarena: Viele Vorkämpfer sind mental an der für sie ungewohnt riesigen Kulisse zerbrochen. Chrissi hat das nur stärker gemacht. Je größer die Herausforderung, umso besser wird sie. Privat ist sie ganz anders: nett und umgänglich.

Glauben Sie wirklich, dass sie am Freitag ihren letzten Kampf bestreiten wird oder dass es sie nicht bald wieder in den Fäusten juckt und wir einen Rücktritt vom Rücktritt erleben?

Steko: Natürlich wäre es eine Bereicherung für unseren Sport, wenn sie weiterkämpfen würde. Aber dafür kenne ich sie zu gut: Wenn sie einmal eine Entscheidung getroffen hat, bleibt sie dabei. Egal, wie es am Freitag ausgehen wird: Danach ist Schluss.

Können Sie sich noch an die erste Begegnung erinnern?

Steko: Das war vor zehn Jahren. Da war in unserem Kampfsportzentrum auf einmal ein neues Gesicht aufgetaucht und hat in der Trainingsgruppe der Wettkämpfer teilgenommen. Ich dachte, mein Bruder Pavlica hätte sie eingeladen, Pavlica dachte, ich wäre es gewesen. Tatsächlich war's keiner von uns beiden. Man kann fast sagen: Sie hat sich reingeschlichen.

Hätten Sie ihr damals eine so große Karriere zugetraut?

Steko: Nie und nimmer. Mein erster Gedanke war damals sogar: Mädel, was machst du denn hier? Sie war den anderen Wettkämpferinnen klar unterlegen. Aber sie hat sich in den Sport reingesteigert und mich mit ihrem Ehrgeiz eines Besseren belehrt.

Was war der schönste Moment in der Zusammenarbeit?

Steko: Es gab so viele, aber drei stechen hervor. Der erste WM-Kampf 2007 in Portugal, der auch Knackpunkt ihrer Karriere war. Da ist sie mit ihrer Gegnerin mit den Köpfen zusammengestoßen und hatte eine riesige Platzwunde, sie stand blutüberströmt im Ring. In Deutschland wäre der Kampf vom Ringarzt definitiv abgebrochen worden. Am Ende hat Chrissi ihren ersten WM-Titel gewonnen. Dann der Sprung auf die große Bühne im Vorprogramm von Felix Sturm in Köln und schließlich der erste Hauptkampf live auf Sat 1 im Mai 2010 in München.

Und der schlimmste?

Steko: Definitiv der letzte Kampf im Juni mit der Niederlage gegen Olga Stavrova. Das tat im Herzen weh, da leidest du als Trainer mit deinem Schützling noch Wochen danach. Ich war total leer, zumal ich mir Mitschuld an der Niederlage gebe. Im Vorfeld des Kampfes gab es zu viel Ablenkung durch Auftritte außerhalb des Boxrings. Aber was sollen wir machen? Kickboxen ist nicht Fußball, wir müssen uns die Aufmerksamkeit erarbeiten. Diesmal haben wir die Auftritte zurückgefahren.

Warum verzichten Sie auf den üblichen Aufbaukampf zwischen Niederlage und Revanche?

Steko: Viele Boxer bestreiten einen Zwischenkampf, wenn sie mental geknickt sind, um sich wieder zu stabilisieren und zurecht zu finden. Aber Chrissi ist mental ausreichend stark und stabil.

Was muss Christine im Revanchekampf anders machen, um den Ring als Siegerin zu verlassen?

Steko: Olga Stavrova sieht aus wie ein Lämmchen. Dadurch unterschätzt man sie. Und Chrissi ist im ersten Kampf in diese Falle reingetappt. Bis zur fünften Runde lag sie in Führung, dann ist sie in einen Schlag reingelaufen und hat sich davon nicht mehr erholt. Am Freitag muss sie geduldiger sein, was mit ihrem Ehrgeiz nicht immer einfach ist.

Der Abschied und die heimische Kulisse verleiten zusätzlich zur Ungeduld.

Steko: Richtig. Natürlich sind das Verlockungen. Aber dafür bin ich in der Ecke da, um sie notfalls einzubremsen.

Bislang haben die Kämpfe aus Vermarktungsgründen in Metropolen wie München, Berlin oder Stuttgart stattgefunden. Nehmen Sie für den Abschiedskampf in Bayreuth finanzielle Verluste in Kauf?

Steko: Von den Zuschauereinnahmen hält es sich in etwa die Waage: Der Kartenvorverkauf ist ausgezeichnet. Die Vermarktung verlief jedoch enttäuschend. Da schreiben wir in der Tat Verluste. Es war jedoch schon immer Christines Wunsch, einmal in ihrer Heimatstadt Bayreuth zu kämpfen. Und es ist doch eine schöne Geschichte, dass ihre Karriere dort zu Ende gehen wird, wo sie angefangen hat.

Das Gespräch führte Dino Reisner.

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