München - Juristischer Hickhack statt psychiatrisches Gutachten: Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe hat am Mittwoch erneut einen Befangenheitsantrag gegen die Richter im NSU-Prozess gestellt. Einer ihrer Pflichtverteidiger, Wolfgang Stahl, warf dem Oberlandesgericht München (OLG) vor, Kritik an dem psychiatrischen Gutachten über Zschäpe abgelehnt zu haben - mit «nicht nur den Anschein der Willkür weckenden Begründungen». Stahl sprach auch im Namen seiner beiden Verteidiger-Kollegen Wolfgang Heer und Anja Sturm. Alle drei sind seit Prozessbeginn Zschäpes Pflichtverteidiger.

Zschäpe selbst besprach sich nach Stahls Antrag mit ihren beiden Vertrauensanwälten Hermann Borchert und Mathias Grasel. Borchert stellte den Befangenheitsantrag dann in Zschäpes Namen neu und sagte, seine Mandantin übernehme die Begründungen der drei Pflichtverteidiger.

Die Bundesanwaltschaft bestritt die Zulässigkeit ihres Antrags. Oberstaatsanwältin Anette Greger sagte, die Ablehnung der Richter sei als «unzulässig zu verwerfen», weil sie «verspätet» beantragt worden sei. Das Strafprozessrecht schreibe vor, dass Ablehnungsanträge «unverzüglich» gestellt werden müssten. Zschäpe habe das aber nicht getan, weil sie zunächst den Antrag ihrer Pflichtverteidiger abgewartet habe.

Üblicherweise müssen Angeklagte Befangenheitsanträge selbst stellen oder unmittelbar ihre Verteidiger damit beauftragen. Pflichtverteidiger Heer erwiderte auf Gregers Einwand, Rechtsanwälte dürften sehr wohl auch eigenständig Richter ablehnen. Allerdings war am Rande der Verhandlung aus der Verteidigung zu hören, diese Ansicht sei eine juristische «Minderheitenmeinung».

Das Gericht beendete daraufhin die Sitzung ohne eine Entscheidung. Zschäpe hatte sich im Sommer 2015 mit Heer, Stahl und Sturm überworfen. Die OLG-Richter hatten ihr daraufhin den Münchner Anwalt Mathias Grasel als zusätzlichen Pflichtverteidiger zur Seite gestellt. Dessen Kanzleipartner Hermann Borchert tritt als Wahlverteidiger auf und wird nicht aus der Staatskasse bezahlt.

Der Senat hatte eigentlich geplant, den psychiatrischen Sachverständigen Henning Saß anzuhören. Dagegen hatten sich Stahl, Heer und Sturm gewandt und verlangt, Saß wegen «methodischer» Mängel in einem schriftlich eingereichten Vorab-Gutachten abzuberufen. Das lehnte das Gericht am Mittwochmorgen ab.

Als nächster Prozesstermin ist der 10. Januar 2017 geplant. dpa