Manchmal habe der Strafprozess eher den Charakter einer Wahrheitskommission gehabt, schrieb die "New York Times" in einer Reportage im vorigen Monat, und ergänzte, dass Högel so viele offene Fragen hinterlasse wie Opfer. Der heute 42-jährige Deutsche tötete von 2000 bis 2005 immer weiter. Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Zuerst suchte er sich die Opfer sorgfältig aus. Später tötete er wahllos. Immer wieder mahnte die Kammer, man dürfe trotz der hohen Opferzahl nie pauschal werden. Immer gehe es um Einzelschicksale.
Högel bekam von seinen früheren Kollegen viele Namen. Einige nannten ihn "Sensen-Högel", "Todes-Högel" oder "Rettungs-Rambo". Als "seelisch verwahrlost" beschrieb ihn ein Gutachter. Warum der Pfleger aber tötete, konnte letztlich auch der Prozess nicht eindeutig klären. Geltungssucht, Selbstüberhöhung, Narzissmus - all dies wurde Högel zugeschrieben.
Seinen Patienten injizierte er Medikamente. Der Zustand der Kranken verschlechterte sich daraufhin binnen Sekunden lebensbedrohlich. Der Alarm schrillte. Högel war meist als Erster im Krankenzimmer und begann mit der Reanimation. Darin war er gut. Und er wollte glänzen vor seinen Kollegen und Lob erfahren. Dass die Menschen starben, nahm er in Kauf.
Es ging ihm um ein Wohlgefühl, eine Hochstimmung, Spannungsaufbau und Spannungsabbau. Unmittelbar nach der glücklichen Geburt seiner Tochter, tötete Högel durch die Manipulation der Medikamentengabe einen Menschen. "Sie wollten damit das Wohlgefühl erhalten, in dem sie einen anderen Menschen in den Tod geschickt haben", resümierte Richter Bührmann. Dieser Fall gewährt einen kleinen Blick in die damalige Gemüts- und Gefühlswelt des Serienmörders, der nach dem Willen der Angehörigen nie mehr aus dem Gefängnis kommen soll.