Nicht jeder Tierarzt möchte im Kuhstall arbeiten - Für Johannes Heyl ist es eine Art Traumjob. Unterwegs mit einem Tierarzt auf dem Land

Von Martina Bay

Wenn der Tierarzt eine Kuh behandelt, steht er mit Gummistiefeln im Mist. Behandelt er einen Hund, steht er in einem klimatisierten Raum. Vor einigen Jahren wollte kaum ein Absolvent als Tierarzt auf dem Land arbeiten. Das hat sich mittlerweile geändert.

 
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Die Kuh kann nicht mehr aufstehen. Einen Tag vorher kam ihr Kalb zur Welt. Tierarzt Johannes Heyl nimmt ihren Kopf zur Seite und legt ihr eine Kette um den Kopf. Die Hinterbeine bindet er mit einem Gurt zusammen. Jetzt erst kann er ihr eine Calcium-Infusion geben. Wenn er das Tier nicht fixieren würde, könnte ihn die Kuh leicht mit ihren Hörnern verletzen. Das ist einem Kollegen passiert. Ihm stieß eine Kuh das Horn in die Oberlippe und riss ihm das Gesicht auf. „Wenn ich merke, dass das Tier unruhig ist, warte ich ab“, sagt Heyl. Für Heyl ist das Alltag.

Heyl arbeitet als Tierarzt in einer Tierklinik in Stadtsteinach. Der 29-Jährige ist hauptsächlich in der Nutztierpraxis tätig, wo er die Kühe und Schweine der Bauern versorgt. Mit 24 Jahren war Heyl mit dem Studium fertig. 2009 fing er in der Tierklinik in Stadtsteinach an. Man suchte dort dringend jemanden, der sich mit Nutztieren auskennt. Und der gebürtige Thüringer kannte sich aus. Während der Semesterferien hatte er oft in Großbetrieben gearbeitet. Damals beklagten viele Nutztierpraktiker, dass es zu wenig Ärzte auf dem Land gab. Die meisten Absolventen wollten lieber in der Kleintierpraxis arbeiten, in der Stadt leben und nicht mit Gummistiefeln im Mist rumstapfen und mit ellenbogenlangen Handschuhen im Hinterteil einer Kuh stecken.

Muss sich der Bauer also Sorgen machen, weil es einen Mangel an Nutztierärzten gibt? „Das ist regional sehr unterschiedlich“, sagt Theo Mantel, Präsident der Bundestierärztekammer. Je weiter die Praxis vom Ballungsraum entfernt liege, desto schwieriger sei es einen Nachfolger zu finden. Dabei mangelt es nicht an Bewerbern.

Denn Tiermedizin ist auch ein beliebtes Studienfach bei Frauen. „In meinem Studienjahrgang gab es von den 250 Studenten lediglich 25 bis 30 Männer“, sagt Heyl. Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielt für sie eine wichtige Rolle. Auf geregelte Arbeitszeiten nimmt die Kuh aber keine Rücksicht. Sie kriegt auch mal am Wochenende ihr Kalb.

Aber viele Praktiker hatten die Sorge, dass es irgendwann gar keine Nutztierärzte mehr gibt. Deswegen führte das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Jahr 2012 eine Studie über den Nachwuchsmangel in der Nutztiermedizin durch. Bei der freiwilligen Erhebung konnten die Tierärzte Fragen zur Personalstruktur, der Wochenarbeitszeit und der Zahl der betreuten Betriebe und Nutztiere beantworten. Es stellte sich heraus, dass es keinen Mangel gibt. So kam beispielsweise heraus, dass von den 1571 Nutztierpraxen in Deutschland, die Angaben zu ihrer Zukunftsplanung machten, 77,3 Prozent in den nächsten fünf Jahren ihre Praxen fortführen werden. Lediglich 7,3 Prozent werden ihre Praxen in diesem Zeitraum schließen. 6,5 Prozent werden ihre Praxis abgeben oder verkaufen.

Johannes Heyl kann sich über zu wenig Arbeit nicht beklagen. Sein Arbeitstag beginnt zwischen halb acht und acht. An jedem zweiten Wochenende hat er Dienst. Das ist für Heyl kein Problem, weil ihm die Arbeit Spaß macht. „Ich arbeite gerne mit den Tieren und ich kann draußen unterwegs sein“, sagt Heyl. Auch mit den Bauern versteht er sich gut. „Man erkundigt sich nach der Familie, aber man erzählt auch von sich was, wie die Schwangerschaft der Freundin.“ Es sei auch oft sehr amüsant, was die Bauern alles erzählen. Nur einmal konnte ein Bauer nichts mehr sagen. Er sollte bei einer Kuh den Schwanz halten. Dabei stützte er sich mit den Unterarmen auf der Kuh ab. Irgendwann ist er dann einfach eingenickt.

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