Neues Buch vorgestellt Oberfranken: Judenhass schon vor 100 Jahren

Peter Engelbrecht
Autor Albrecht Bald (links) und Verleger Norbert Aas. Foto: Peter Engelbrecht

Das neue Buch von Albrecht Bald beschäftigt sich mit den Formen antisemitischer Diskriminierung und Gewalt in Oberfranken 1918 bis 1933. Bayreuth und Coburg waren bereits damals Hochburgen der Nationalsozialisten.

 
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Mit den Formen antisemitischer Diskriminierung und Gewalt in Oberfranken 1918-1933 beschäftigt sich der Historiker Albrecht Bald in seinem neuen Buch. Fakt ist: Bayreuth war bereits zur Zeit der Weimarer Republik eine Hochburg der Nationalsozialisten und des Judenhasses.

In Oberfranken gab es 1925 laut der Volkszählung 2544 Juden, die Hälfte davon lebte in Bamberg und den umliegenden Landkreisen. In Bayreuth waren es 304 oder 0,9 Prozent der Bevölkerung, in Kulmbach 38 oder 0,3 Prozent. Die Juden waren also in der absoluten Minderheit. Das machte Albrecht Bald bei der Buchvorstellung beim Evangelischen Bildungswerk Oberfranken-Mitte in Bayreuth deutlich.

Auffällig ist, dass Bayreuth mit 52,6 und Coburg mit 58,6 Prozent NSDAP-Stimmen die höchsten Ergebnisse in Oberfranken bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 erzielten. Reichsweit hatte die Hitlerpartei 37,2 Prozent erhalten. Bayreuth war also neben Coburg eine Nazihochburg im Bezirk.

Der Historiker aus Selb nannte Beispiele der frühen Diskriminierung: Die jüdische Lyrikerin und Journalistin Hilde Marx (1911-1986) hatte 1931 am Humanistischen Gymnasium in Bayreuth Abitur gemacht. Die Zeitzeugin schilderte 1984 ihre Erinnerungen an die „Wagnerstadt“ folgendermaßen: Sie sei mit den drei Wagnerenkeln Wieland, Friedelind und Wolfgang in die Schule gegangen. Eine ihre Erinnerungen war, dass sie angespuckt wurde, weil sie jüdisch war. Es stinke nach Knoblauch, hätten die Wagnerkinder gesagt. Das sei zu einer Zeit gewesen, wo der Rest Deutschlands noch kaum wusste, wer Hitler war. Aber Hitler war damals häufig in der Villa Wahnfried, „und der Eindruck ist einfach nicht auszulöschen.“

Als junges Mädchen konnte Marx in keine Tanzstunde gehen. Eine Freundin sei genauso boykottiert worden, nur weil sie mit ihr Arm in Arm über den Schulhof gegangen sei. Sie habe ziemlich früh Antisemitismus kennengelernt. Dass es in Bayreuth frühzeitig einen „stillen“ Boykott jüdischer Geschäfte gab, hat Hilde Marx ebenfalls festgesellt. Auch von einem Tennisplatzverbot wusste sie zu berichten.

Ein weiteres Beispiel: Schon vor dem Ersten Weltkrieg veröffentlichten jüdische Zeitungen zu Beginn der Sommersaison Listen von Hotels und Gaststätten, die von Juden gemieden werden sollten. Diese Listen wurden während der Weimarer Zeit fortgeschrieben. 1931 gehörten auch 16 Hotels, Restaurants, Gasthöfe und Pensionen in Oberfranken dazu. Je eine Einrichtung existierte in Behringersmühle, Berneck, Fichtelberg, Gößweinstein, Kulmbach und Pegnitz. Auch in Bayreuth gab es zwei Restaurants und ein Café, die zum Boykott aufgerufen hatten.

Wie überall in Deutschland dürften auch in Oberfranken zwischen 1918 und 1933 zwei Formen des Antisemitismus weit verbreitet gewesen sein, berichtete Albrecht Bald: Ein bewusstes Distanzwahren im gesellschaftlichen Umgang sowie eine Ausgrenzung an den Schulen und im Berufsleben. Solches antisemitische Agieren fand naturgemäß aber nur selten seinen Weg in die Medien beziehungsweise in die Öffentlichkeit.

„Wehret den Anfängen“, empfahl Bald aus den Erfahrungen der Vergangenheit. Er habe sich beim Schreiben des Buches gewundert, wie viele Angriffe es von Deutschen auf Juden allein durch Gestik oder Mimik gegeben habe, die etwas Negatives suggerieren sollten. In Coburg hatte sich beispielsweise der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde gegen diese nonverbalen Attacken beschwert – doch es hatte keine Zeugen gegeben und damit war eine Anzeige völlig sinnlos.

Über den Antisemitismus in der Region nach der Machtergreifung Hitlers 1933 gibt es mittlerweile eine Reihe von Darstellungen, doch das gilt für die Zeit der Weimarer Republik nicht. Albrecht Bald hat mit seinem Buch diese Lücke gefüllt.

Jürgen Wolff, der Geschäftsführende Vorstand des Evangelischen Bildungswerks Oberfranken-Mitte, würdigte die Kraft und Energie, die der Autor in seine inzwischen zahlreichen regionalen historischen Bücher steckt. „Das sind Bücher für die Ewigkeit“, sagte Wolff.

Info: Albrecht Bald: Die Formen antisemitischer Diskriminierung und Gewalt in Oberfranken 1918-1933, Bumerang Verlag Norbert Aas Bayreuth 2021, 250 Seiten, 29 Abbildungen, 25 Euro. Das Buch ist im Buchhandel oder direkt beim Bumerang Verlag, Adolf-von-Groß-Straße 8, 95445 Bayreuth, erhältlich.

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