Neuer Trainerjob für VfB-Legende Warum es Jürgen Klinsmann nach Südkorea zieht

Felix Lill

Jürgen Klinsmann wird neuer Nationaltrainer von Südkorea. Die wachsenden Ziele des asiatischen Landes dürften den ehemaligen Spieler des VfB Stuttgart angezogen haben – aber sie bergen auch ein große Gefahr.

 
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Kehrt zurück auf die Trainerbank: Jürgen Klinsmann Foto: imago images/Jan Huebner/Jan Huebner/Taeger via www.imago-images.de

Als der Entschluss getroffen war, schossen Eilmeldungen auf die Smartphones. „Die deutsche Ikone Jürgen Klinsmann ist neuer Trainer von Südkoreas Herrennationalmannschaft“, titelte die führende Nachrichtenagentur Yonhap. Die Nachricht toppte einen Moment lang diverse andere Themen, die eigentlich bedeutender sind: Da wären die neuen Raketen aus dem verfeindeten Nordkorea oder kontroverse Untersuchungen der Staatsanwaltschaft gegen den südkoreanischen Oppositionsführer im Parlament. Aber am Montagnachmittag dominierte kurz Klinsmann die News.

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Eine Sensation

Der Deal, den der Südkoreanische Fußballverband (KFA) nach tagelangen Spekulationen verkünden konnte, ist eine Sensation. Mit Jürgen Klinsmann kommt schließlich ein Mann ins ostasiatische Land, der 1990 als Spieler Weltmeister wurde, als Trainer Deutschlands einen überraschenden dritten Platz bei der WM 2006 erreichte und außerdem einige Jahre weitgehend erfolgreich die USA trainierte. In Südkorea – Klinsmanns dritte Station als Nationaltrainer – soll er nun ein neues Fußballkapitel beginnen.

Im 55-Millionen-Land ist Fußball neben Baseball der beliebteste Sport. Allerdings erhofft man sich seit einigen Jahren größere Erfolge als zuletzt. Bei der WM 2022 in Katar erreichten die „Taegeuk Warriors“, wie sich die Auswahl nennt, nach einem knappen Weiterkommen in der Gruppenphase das Achtelfinale, wo es dann eine deutliche Niederlage gegen Brasilien setzte. Der Vertrag des Portugiesen Paulo Bento, der die Mannschaft bis dahin trainiert hatte, wurde danach nicht erneut verlängert.

Die Ansprüche sind über die vergangenen Jahrzehnte gewachsen. Als Südkorea 2002 gemeinsam mit Japan die WM veranstaltete, erreichte das damals vom Niederländer Guus Hiddink trainierte Team überraschend das Halbfinale. Zehn Jahre späte holte Südkorea bei den Olympischen Spielen von London die Bronzemedaille. Aber seitdem hat es bei Weltmeisterschaften nur zweimal für das Achtelfinale erreicht. Und da der regionale Rivale Japan mittlerweile einen Platz unter den besten acht Teams der Welt beansprucht, liegt es nahe, dass Südkorea mitziehen will.

Für Klinsmann, der einen Vertrag bis nach der WM 2026 erhält, wird dies die Messlatte sein: Südkorea soll möglichst Asiens Nummer eins sein und bei Weltmeisterschaften zumindest ein zuverlässiger Teilnehmer der K.-o.-Runden werden, gern aber mehr als dies. Schließlich ist Südkorea schon lange kein fußballerisches Entwicklungsland mehr. Die Profiliga K-League gilt als eine der stärksten Asiens und besteht größtenteils aus einheimischen Spielern.

Talente aus Südkorea sind beliebt

Die größten Talente werden seit Jahren in jungem Alter von europäischen Clubs abgeworben. Neben dem südkoreanischen Superstar Son Heung-min, der bei Tottenham Hotspur spielt und in südkoreanischen Fernsehern ständig zu sehen ist, zählen der Verteidiger Kim Min-jae vom SSC Neapel, der Stürmer Hee-chan Hwang von den Wolverhampton Wanderers und der Mittelfeldspieler Lee Kang-in von RCD Mallorca zu den bekanntesten Kickern. Als Hoffnungsträger gilt Jeong Woo-yeong vom SC Freiburg.

Die Verpflichtung von Jürgen Klinsmann lief über eine Deutschland-Connection. Anfang Januar hat der koreanische Verband den Deutschen Michael Müller, der nach Jahren im DFB-Nachwuchsbereich ab 2018 in der Jugendförderung der KFA gearbeitet hatte, als Technischen Direktor der Nationalmannschaft vorgestellt. In einem Interview erklärte Müller, bei der Trainerauswahl wolle er auf „koreanische Werte“ setzen, nämlich „eine starke Mentalität und Kampfgeist“. Insofern ergibt die Lösung Klinsmann, der auch als Einpeitscher hinreichend bekannt ist, durchaus Sinn.

In Südkorea hat man den ehemaligen Star des VfB Stuttgart ohnehin noch im Gedächtnis. In der Gruppenphase der WM 1994 schoss Klinsmann ein Traumtor gegen Südkorea, das heute oft bei Rückblicken gezeigt wird: Mit dem Rücken zum Tor lupfte er sich den Ball selbst hoch und schoss ihn mit der Drehung ins Eck. Mit zwei Klinsmann-Toren gewann Deutschland 3:2. Zwei Jahrzehnte später, als Nationaltrainer der USA, schmeichelte Klinsmann der ostasiatischen Fußballnation dann. Vor der WM 2014 bat er um einen Test mit Südkorea. Erklärung: „Sie haben enorm viel Energie und viel Talent in ihren Reihen.“

Klinsmann passt auch deshalb ins Trainerbild Südkoreas, weil sich das Land seit Jahrzehnten gern ausländischen Trainern anvertraut. Nach Guus Hiddink bekleideten noch drei weitere Niederländer das Nationaltraineramt, vor Paulo Bento gab es in Humberto Coelho auch schon mal einen Portugiesen. Und Klinsmann ist nicht der erste Deutsche: Von 2014 bis 2017 verantwortete Uli Stielike die Mannschaft.

Ist der Posten ein Schleudersitz?

Allerdings ist der Posten auch ein Schleudersitz. In den vergangenen 20 Jahren hat es 13 verschiedene Trainer gegeben, der nun verabschiedete Paulo Bento war mit gut vier Jahren der Dienstälteste.

Und es wäre nicht ganz überraschend, wenn sich das Engagement Jürgen Klinsmanns als Missverständnis herausstellen würde. Dies liegt nicht nur daran, dass die steigenden Ansprüche in Südkorea – die Klinsmann als willkommene Herausforderung sehen dürfte – womöglich schwer zu erreichen sind. Bei seinem letzten Traineramt, das nach wenigen Monaten bei Hertha BSC zu Beginn 2020 rasch endete, hatte sich Klinsmann öffentlich über die Führung im Verein beklagt, ohne dies mit dem Verein abzusprechen. In Südkoreas Betriebskultur wäre ein solches Vorgehen kaum verzeihlich, würde als illoyal und undankbar gelten.