Talente aus Südkorea sind beliebt
Die größten Talente werden seit Jahren in jungem Alter von europäischen Clubs abgeworben. Neben dem südkoreanischen Superstar Son Heung-min, der bei Tottenham Hotspur spielt und in südkoreanischen Fernsehern ständig zu sehen ist, zählen der Verteidiger Kim Min-jae vom SSC Neapel, der Stürmer Hee-chan Hwang von den Wolverhampton Wanderers und der Mittelfeldspieler Lee Kang-in von RCD Mallorca zu den bekanntesten Kickern. Als Hoffnungsträger gilt Jeong Woo-yeong vom SC Freiburg.
Die Verpflichtung von Jürgen Klinsmann lief über eine Deutschland-Connection. Anfang Januar hat der koreanische Verband den Deutschen Michael Müller, der nach Jahren im DFB-Nachwuchsbereich ab 2018 in der Jugendförderung der KFA gearbeitet hatte, als Technischen Direktor der Nationalmannschaft vorgestellt. In einem Interview erklärte Müller, bei der Trainerauswahl wolle er auf „koreanische Werte“ setzen, nämlich „eine starke Mentalität und Kampfgeist“. Insofern ergibt die Lösung Klinsmann, der auch als Einpeitscher hinreichend bekannt ist, durchaus Sinn.
In Südkorea hat man den ehemaligen Star des VfB Stuttgart ohnehin noch im Gedächtnis. In der Gruppenphase der WM 1994 schoss Klinsmann ein Traumtor gegen Südkorea, das heute oft bei Rückblicken gezeigt wird: Mit dem Rücken zum Tor lupfte er sich den Ball selbst hoch und schoss ihn mit der Drehung ins Eck. Mit zwei Klinsmann-Toren gewann Deutschland 3:2. Zwei Jahrzehnte später, als Nationaltrainer der USA, schmeichelte Klinsmann der ostasiatischen Fußballnation dann. Vor der WM 2014 bat er um einen Test mit Südkorea. Erklärung: „Sie haben enorm viel Energie und viel Talent in ihren Reihen.“
Klinsmann passt auch deshalb ins Trainerbild Südkoreas, weil sich das Land seit Jahrzehnten gern ausländischen Trainern anvertraut. Nach Guus Hiddink bekleideten noch drei weitere Niederländer das Nationaltraineramt, vor Paulo Bento gab es in Humberto Coelho auch schon mal einen Portugiesen. Und Klinsmann ist nicht der erste Deutsche: Von 2014 bis 2017 verantwortete Uli Stielike die Mannschaft.
Ist der Posten ein Schleudersitz?
Allerdings ist der Posten auch ein Schleudersitz. In den vergangenen 20 Jahren hat es 13 verschiedene Trainer gegeben, der nun verabschiedete Paulo Bento war mit gut vier Jahren der Dienstälteste.
Und es wäre nicht ganz überraschend, wenn sich das Engagement Jürgen Klinsmanns als Missverständnis herausstellen würde. Dies liegt nicht nur daran, dass die steigenden Ansprüche in Südkorea – die Klinsmann als willkommene Herausforderung sehen dürfte – womöglich schwer zu erreichen sind. Bei seinem letzten Traineramt, das nach wenigen Monaten bei Hertha BSC zu Beginn 2020 rasch endete, hatte sich Klinsmann öffentlich über die Führung im Verein beklagt, ohne dies mit dem Verein abzusprechen. In Südkoreas Betriebskultur wäre ein solches Vorgehen kaum verzeihlich, würde als illoyal und undankbar gelten.