Doch das Kabinett ließ sich nicht mehr beirren und votierte für das «Werksviertel». Eine «Erbpachtlösung» soll es geben, sagte Spaenle nach der Kabinettssitzung. Über einen Zeitraum von 50 Jahren werde das 30 Millionen Euro kosten, Bauherr ist die Staatsregierung.
Das Gelände ist frei, schon erschlossen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Ein Grund für die Entscheidung sei «die zeitliche Verfügbarkeit mit einer möglichen Inbetriebnahme bis Ende 2021», teilte die Staatskanzlei mit. Denn die Zeit drängt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sehr gerne noch im Laufe seiner bis 2018 dauernden Amtszeit den Grundstein legen würde. Außerdem könnte der neue Saal als Ausweichquartier für die Münchner Philharmoniker dienen, die ab 2020 die Philharmonie im Gasteig wegen dringender Sanierungsarbeiten räumen müssen.
Zuletzt war neben dem Werksviertel nur noch ein einziger weiterer Standort im Rennen: die alte Paketposthalle westlich des Hauptbahnhofs. Eine Investorengruppe wollte in die gigantische, denkmalgeschützte Stahlbetonkuppel gleich eine ganze «Musikstadt» implantieren. Dieser Vorschlag wäre zwar spektakulärer als ein Konzertsaal im Werksviertel, aber wohl auch deutlich teurer gewesen. Außerdem müsste vorher die Post mit ihrem Briefverteilzentrum ausziehen. Allein die Erschließung des Geländes hätte nach Angaben Spaenles mehr als 100 Millionen Euro kosten können.
Die künftigen Hauptnutzer des neuen Saals, das renommierte Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BR), fand sich am Ende nur noch in der Zuschauerrolle. Eigentlich hatten die Musiker, deren Chefdirigent Mariss Jansons die Konzertsaal-Debatte seinerzeit maßgeblich mit angestoßen hatte, das mitten im Stadtzentrum gelegene Areal des sogenannten Finanzgartens präferiert. Doch hier legten sich die Umweltschützer quer, die um den dortigen alten Baumbestand fürchteten.
Doch traurig ist man nicht, dass jetzt nicht in der Altstadt, sondern an der Peripherie gebaut wird. Das Werksviertel sei eine gute Alternative, heißt es aus Kreisen des Orchesters. Und den Charakter des Unfertigen sehe man als Chance, vielleicht ein jüngeres, experimentierfreudigeres Klassikpublikum anzuziehen. Ganz unmünchnerisch.
dpa