Neue Dating-App Wenn Freunde bei der Partnersuche helfen

Sandra Markert

Eine neue App setzt auf ehrlichere Profile und größere Erfolgschancen, indem sie das Umfeld einspannt.

 
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Davon träumen viele: Mit der Liebe des Lebens, gefeiert von den Freunden, gemeinsam vor den Traualtar treten Foto: Imago/Westend61/Daniel Waschnig

„Ihr wärt doch ein tolles Paar“, sagten die Freunde von Anna Schotenröhr (31) und versuchten, sie mit einem Mann aus ihrem gemeinsamen Freundeskreis zu verkuppeln. Inzwischen führen sie und Benjamin Wiegand seit sieben Jahren eine glückliche Beziehung. „Wir zwei haben zwar nicht sofort verstanden, wie gut wir zusammen passen würden, aber unsere Freunde hatten recht“, sagt Schotenröhr.

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Verkuppeln 2.0

Das brachte die Ärztin auf eine Idee: Könnte man das Verkuppeln nicht weiterentwickeln? Immerhin kennen uns Freunde mit allen Ecken und Kanten und können so gut einschätzen, wer zu einem passt. „Das ist sehr viel ehrlicher und authentischer als all die Oberflächlichkeiten beim klassischen Online-Dating“, sagt Schotenröhr. Dort müsse das Auftreten perfekt sein, es herrscht ihrer Erfahrung nach ein extremer Selbstdarstellungsdruck. Der echte Charakter, der für eine Beziehung aber so wichtig sei, gehe oft unter.

Zusammen mit ihrem Partner und zwei weiteren Freunden, Laurenz Reichel und Andreas Lindner, gründete Schotenröhr die Plattform Blindmate. Auch hier dreht sich zwar alles ums Online-Dating, weil dieser Weg der Partnersuche spätestens seit Corona „nicht mehr wegzudenken ist“. Aber sie versuchen, es anders anzugehen.

Wer sich bei Blindmate auf Partnersuche begibt, meldet sich zwar selbst an – mit Leben gefüllt wird das Profil aber durch Freunde. Sie beantworten Fragen, die aus dem Leben gegriffen sind: Was kann der Kumpel überhaupt nicht? Wofür gibt er mehr Geld aus als andere? Was bringt die Freundin auf die Palme? Was ist eine Macke von ihr?

Erst wenn die Freunde das Okay geben darf gechattet werden

Die Partnersuche bleibt in den Händen der Freunde. Erst wenn diese der Meinung sind, einen passenden Partner für den Kandidaten gefunden zu haben – und die Freunde dieses Partners ebenfalls ihr Okay geben – können die beiden Verkuppelten chatten. „Erstmals wissen sie aber nicht mehr als den Namen voneinander. Wir geben erst mit der Zeit mehr Infos aus den Profilen frei“, sagt Benjamin Wiegand von Blindmate.

All das soll dazu führen, das Online-Dating ehrlicher und witziger zu gestalten, die Nutzer aus ihrer „Dating-Erschöpfung“ herauszuholen. Diese Frustration beim Online-Dating stellt sich mit der Zeit ein, wenn man zu viele unpassende Verabredungen hinter sich hatte.

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Der Erfolg gibt dem Start-up, das den Gründern zufolge eigentlich „als Hobbyprojekt“ gedacht war, offenbar recht: Inzwischen haben rund 35 000 Leute die App heruntergeladen. Drei der vier Gründer haben ihren Job an den Nagel gehängt. Die Nutzer loben den Spaß an der Sache und sagen, dass das Konzept tatsächlich funktioniert. Experten überrascht das nicht. „Freunde hatten schon immer einen großen Einfluss bei der Partnersuche“, sagt etwa Lars Penke, der an der Universität Göttingen im Bereich biologische Persönlichkeitspsychologie arbeitet.

Der Partner muss ins soziale Umfeld passen

Er kann das gleich aus mehreren Gründen heraus erklären. „Dass ein Partner gut ins soziale Umfeld passt, ist ein wichtiger Faktor für eine glückliche Beziehung“, so Lars Penke. Wer will schon, dass die Freunde beim Kennenlernen des neuen Partners den Kopf über die Wahl schütteln?

„Darüber hinaus müssen genaue Vorlieben bei der Partnerwahl auch erst mal gelernt werden, und da orientieren wir uns an den beobachteten Vorlieben, die unser soziales Umfeld zeigt“, sagt Lars Penke. Wenn Freunde als Amor tätig werden, haben sie einen weiteren Vorteil auf ihrer Seite: „Es ist schon so, dass Freunde manche Seiten an einem besser oder objektiver einschätzen können, als man selbst“, sagt Lars Penke.

Freunde schätzen vor allem Stärken objektiver ein

Studien zufolge sind das übrigens weniger die Schwächen und Ängste, sondern eher das, wo man positiv heraussticht wie soziale Kompetenzen und Durchsetzungsfähigkeit. „Das ist einem selbst oft weniger bewusst, weil es in diesen Bereichen ja gut läuft. Deshalb tut man sich hier schwerer, das richtig herauszustellen“, sagt Penke.

Trotzdem kennt vermutlich jeder ein Paar, bei dem man sich wundert, warum die Liebe ausgerechnet diese beiden zusammengebracht hat. Sind solche Beziehungen dann grundsätzlich zum Scheitern verurteilt? So hart würde es Penke nicht formulieren: „Es kann ja durchaus auch sein, dass sich der Freundeskreis durch einen neuen Partner ändert, weil man sich selbst vielleicht auch schon vorher oder eben durch den Partner verändert hat“, sagt der Forscher aus Göttingen.

Lieber nicht über den Partner schimpfen – wenn es dem Freund gut geht

Grundsätzlich sollten sich gute Freunde mit ihrer Meinung aber zurückhalten, wenn sie nicht so viel von einem neuen Partner halten – zumindest solange es dem Freund damit gut zu gehen scheint. „Etwas anders ist es, wenn Freunde beobachten, dass ein neuer Partner schwierige Persönlichkeitsmerkmale hat, etwa narzisstisch veranlagt ist“, sagt Penke. Solche Menschen könnten anfangs sehr faszinierend, für soziale Beziehungen aber mittelfristig schädlich sein.

Kennenlernen im Internet immer wichtiger

In den vergangenen fünf Jahren haben sich erstmals mehr Paare übers Internet kennen gelernt als über Freunde – das zumindest besagt eine repräsentative Studie des großen Onlinedating-Portals Elite Partner. Demnach fand jedes dritte Paar, welche in diesem Zeitraum zusammenkam, im Netz zueinander. Das Portal Elitepartner weist aber selbst darauf hin, dass andere Kontaktmöglichkeiten während der Corona-Pandemie stark eingeschränkt waren.

Lässt man den Corona-Effekt außen vor, lernen sich verschiedenen Studien zufolge 30 bis 60 Prozent aller Paare über gemeinsame Bekannte kennen. Nicht verlassen sollte man sich dagegen darauf, dass der Traumpartner einem zufälligerweise beim Einkaufen oder in der U-Bahn über den Weg läuft. Der Elite-Partner-Studie zufolge passiert das gerade mal bei vier Prozent der Paare.