Nach WM in Falun: Horst Hüttel über die Zukunft der Kombinierer und Springer DSV-Team finanziell an der Grenze

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Fünf Goldmedaillen: Der Wunsiedler Horst Hüttel hat als sportlicher Leiter der Skispringer und Kombinierer bei der WM in Falun viel zu Lachen. Foto: imago Foto: red

Acht Medaillen, davon fünf goldene – das Ergebnis des deutschen Teams bei der Weltmeisterschaft in Falun war rekordverdächtig. Alle Podestplätze gingen auf das Konto der Spezialspringer und Kombinierer, für die ein Fichtelgebirgler als sportlicher Leiter die Verantwortung trägt. Der Wunsiedler Horst Hüttel sieht in dem Erfolg den Lohn für jahrelange Arbeit. Er weiß aber auch, dass es im deutschen Kadersystem noch Nachholbedarf gibt.

 
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Sind Sie ein Goldmacher?
Horst Hüttel: Solche Erfolge kommen nur zustande, wenn viele Leute einen guten Job machen und mit Herz und Kopf gemeinsam dafür arbeiten. Ich habe dabei den Auftrag, das Gesamtsystem zu erneuern und zu führen. Und von dieser Seite gesehen, habe ich schon einen gewissen Anteil an der Entwicklung und den Erfolgen.

Kann man die Gründe für den Erfolg noch konkretisieren?
Hüttel: Wir profitieren von einem über 15 Jahre gewachsenen System auf allen Ausbildungsebenen. In jedem unserer vier Kader arbeiten extrem zielgerichtete Trainer an der permanenten Qualitätssteigerung unserer Athleten.

Dann ist der Erfolg in der Zukunft gesichert?
Hüttel: Das hoffe ich sehr. Im A-Team ist der Altersdurchschnitt ja sehr niedrig. Eric Frenzel und Severin Freund sind ja erst 26 und Johannes Rydzek 23. Wir müssen aber auch die Athleten dahinter weiter voranbringen. Zudem ist Erfolg nicht planbar. Man kann Leistung steuern, und Sportler so vorbereiten, dass sie am Tag X optimale Leistungen abrufen können. Erfolg hängt dann auch von anderen Komponenten ab, wie zum Beispiel dem Gegner.

Aber die Konkurrenz blickt schon etwas ehrfürchtig auf das deutsche System.
Hüttel: Definitiv. Mit Verbandsfunktionären aus Norwegen pflege ich engen Kontakt. Klar wollen die wissen, wie es uns gelingt, in den Bereichen Skisprung und Nordische Kombination nachhaltig zu arbeiten. Die Frage ist dann, wem erzählt man was. Aber sicher gibt es auch Dinge, die wir von Norwegen oder Österreich lernen können.

Zum Beispiel beim Blick auf den Kontinentalcup. Hier sind diese beiden Nationen in der Masse sehr stark vertreten.
Hüttel: In der zweiten Liga haben wir in den letzten beiden Jahren an Qualität verloren. Das trübt unsere Gesamtsituation ein Stück weit, aber es gibt dafür einen Grund. Wir sind mit unserem Gesamtetat im Skispringen und der Kombination an einer Grenze. In den letzten zwei Jahren mussten wir – da wir ja auch einen sehr jungen A-Kader haben – in der zweiten Liga notgedrungen Abstriche machen. Dass hier Investitionen gefehlt haben, zum Beispiel in Trainingslager, bekommen wir jetzt knallhart zu spüren. Das sehen wir extrem kritisch. Wir müssen Gespräche führen und unsere Lehren daraus ziehen.

Ist eine Besserung der finanziellen Lage in Sicht?
Hüttel: Ich hoffe sehr, dass die WM-Erfolge mehr Einnahmen bringen. Das Geld, das im A-Kader akquiriert wird, muss auch für die Basis zur Verfügung stehen. Wenn wir auf längere Sicht im Kontinentalcup nicht auf oberstem Niveau agieren, wird das irgendwann bestraft. Das können wir uns nicht erlauben.

Einer, der im B-Team eine sehr gute Rolle spielt, ist der Warmensteinacher Paul Hanf. Wie sehen Sie seine Leistungen?
Hüttel: Er nimmt eine gute Entwicklung, und das wird jetzt belohnt. Paul wird am kommenden Wochenende in Lahti und danach in Trondheim und Oslo am Holmenkollen im A-Weltcup starten. Er soll die Möglichkeit bekommen, beim erfolgreichen A-Team Erfahrungen zu sammeln.

Und kein Deutscher war bei der WM so erfolgreich, wie Johannes Rydzek mit vier Medaillen.
Hüttel: Er hat sein Potenzial schon öfter angedeutet, wurde in der Vorsaison im Gesamtweltcup Zweiter. Nur ist das nie so richtig rausgekommen, weil wir einen alles überstrahlenden Eric Frenzel haben. Auch in dieser Saison hat Rydzek gut begonnen, doch dann war ab Dezember ein Leistungsknick da. Doch den hat er überwunden und war zum Jahreshöhepunkt voll da. Und das ist in den zurückliegenden Monaten vor allem durch Kopfarbeit gelungen.

Auch in Frenzels Kopf dürfte es nach der WM rund gegangen sein. Bei seinen Einzelstarts blieb der Olympiasieger überraschend ohne Medaille.
Hüttel: Eric ist ein extrem selbstständiger Athlet und kann sich gut einschätzen. Er war Topfavorit und hatte nicht den Erfolg, den er sich vorgenommen hat. Schließlich hat er die Latte in den vergangenen Jahren sehr hoch gehängt. Aber er wird jetzt nicht in ein Loch fallen. Er wird die WM reflektieren und individuell analysieren, warum seine Laufform nicht die beste war. Schließlich hat er noch ein Ziel: Er kann den Gesamtweltcup zum dritten Mal in Folge gewinnen.

Ein Ziel der Deutschen muss es auch sein, bei der Vierschanzentournee wieder besser abzuscheiden. War die WM dieses Jahr wichtiger als die Tournee?
Hüttel: Sicher war viel auf die WM ausgerichtet, vor allem Severin Freund war richtig stark. Aber die schmerzlichen Niederlagen bei der Tournee mit der Fokussierung auf die WM zu erklären, wäre zu einfach. Die Tournee ist immer ein Saisonhöhepunkt, da ist es unsere Pflicht, mit einer guten Performance an den Start zu gehen. Aber die schlechte Tournee war gut für die WM. So hat Freund nochmals alles kritisch hinterfragt, Veränderungen vorgenommen und war so in Falun in Topform.

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