Die Konsequenz Flick darf keine Rücksicht mehr nehmen auf große Namen. Er muss seine bei der WM gelebte Treue zu verdienten Stars wie Manuel Neuer oder Thomas Müller und zum Block des FC Bayern mindestens hinterfragen. Hoch veranlagte jüngere Profis, die Hoffnung machen mit Blick auf die EM, gibt es genug, ob sie nun bei den Bayern spielen oder nicht: Zuvorderst Jamal Musiala und Florian Wirtz, aber auch Kai Havertz, Leroy Sané, Serge Gnabry, Nico Schlotterbeck oder Youssoufa Moukoko gehören dazu.
Die Stimmung Eine Grüppchenbildung war bei der DFB-Elf in Katar zu beobachten. Die Bayern-Profis standen auf der einen, andere Kräfte wie Antonio Rüdiger oder Ilkay Gündogan auf der andere Seite. Offenkundig wurde der Konflikt bei der sogenannten Bindenfrage. Als es vor dem ersten Gruppenspiel gegen Japan in der Sitzung des Mannschaftsrats darum ging, welches Zeichen man nach dem Verbot der One-Love-Kapitänsbinde seitens des Weltverbands Fifa nun setzen wolle, hat es dem Vernehmen nach gekracht.
Der Bayern-Ratsblock mit Kapitän Manuel Neuer, Leon Goretzka, Joshua Kimmich und Thomas Müller soll, wie zu hören ist, für ein stärkeres Zeichen gewesen sein als das, was am Ende vor der Partie gegen Japan herauskam (Mund-Zuhalten). Antonio Rüdiger und Ilkay Gündogan sollen sich angeblich gegen den Vorschlag aus dem Bayern-Kreis gewehrt haben, wie Goretzka bei der EM 2021 gegen Ungarn nun im Kollektiv ein Herzzeichen mit den Händen zu formen. Der Streit zeigt symbolisch: Beim Teamgeist ist reichlich Luft nach oben.
Das Leistungsklima Das Wohlfühlklima im Teamhotel bei der WM löst beim Blick zurück sogar bei so manchem DFB-Mitarbeiter Kopfschütteln aus. Die Spielerfrauen und die Kinder der DFB-Stars durften noch in den Stunden nach dem 1:2 gegen Japan und dem 1:1 gegen Spanien jeweils ins Hotel kommen, übernachten, den nächsten Tag über bleiben und am Pool planschen – mit ihren Männern. So kann man sieglose Partien auch aufarbeiten. Was so abgedroschen klingt, ist im speziellen Fall Flicks in Richtung der EM der einzig gangbare Weg: Der Bundestrainer muss die Zügel anziehen.
Die DFB-Führung Kurzfristig gedacht suchen der Präsident Bernd Neuendorf und sein mächtiger „Vize“ Hans-Joachim Watzke einen Nachfolger für den Geschäftsführer Oliver Bierhoff als neuen starken Mann rund um die DFB-Elf. Übergeordnet wird es künftig um eine stärkere Führung der Verbandsspitze gehen. So gab Neuendorf im Bindenstreit mit der Fifa – in Teilen gemeinsam mit Bierhoff – eine schwache Figur ab. So fühlten sich Flick und das Team von der DFB-Führung bei der Diskussion über das Tragen der „One Love“-Binde allein gelassen, was dann in der Streitrunde des Mannschaftsrats kurz vor dem Japan-Spiel gipfelte – als die Spieler entscheiden mussten, was zu tun ist. Oder anders: Das Team sah die Entscheidung, ob Kapitän Neuer eine Gelbe Karte und weitere Sanktionen riskieren solle, wenn er die Binde gegen Japan doch trägt, vom DFB-Präsidenten auf sie abgewälzt.
Künftig also braucht es klarere Strukturen und Richtlinienkompetenzen. Und: klügere Entscheidungen. Auf allen Ebenen.