"Ich würde schon sagen, dass es zugenommen hat – auch nicht nur in Deutschland. Es gab etwa auch die Zusammenarbeit von Lady Gaga mit Tony Bennett", sagt Musik-Professorin Barbara Hornberger von der Bergischen Universität Wuppertal. Offensichtlich gebe es eine intergenerationale Bewegung. "Dass bekannte Titel geremixt oder gecovert werden, das gab es schon oft. Meist tauchten dann aber die Originalstars darin nicht persönlich auf. Das ist nun anders."
Die Frage, die über derartigen Projekten steht, lautet, wer eigentlich von wem profitiert. Die Älteren, die ihre alten Hits oder ihren bekannten Namen dank einer Frischzellenkur aus der TikTok-Generation einmal mehr in Geld verwandeln können? Oder die Jungen, die die oft noch im analogen Zeitalter aufgebaute Groß-Prominenz der Älteren nutzen, um ein Publikum zu erreichen, das jenseits ihrer eigenen, manchmal sehr überschaubaren Blase liegt?
Die Zusammenarbeit ergibt ökonomisch Sinn
Oder sind es - hallo Pathos - am Ende wir alle, weil in einer an Generationenkonflikten leidenden Gesellschaft ("Du Boomer!") endlich mal Brücken gebaut werden? "Die Beteiligten an solchen Zusammenarbeiten adeln sich in gewisser Weise gegenseitig. Damit vergrößert man auch gegenseitig die Reichweite", sagt Wissenschaftlerin Hornberger. Besonders interessant ist es für ältere Künstler, deren Bedeutung - despektierlich gesprochen - heute darauf fußt, dass sie einfach noch da sind. Die sogenannten Legenden. "Wenn sie sich dann aber vor einem jüngeren Künstler und einem jüngeren Genre verneigen, dann ändert sich das. Dann ist man nicht mehr nur der Opa, der früher einen Hit hatte. Sondern der Typ, der heute noch etwas Angesagtes zu bieten hat", so Hornberger. Zudem dürfe man nicht vergessen, wie hart das Musikbusiness sei. "Ökonomisch ergibt es einfach Sinn, weil mehr Publikum angesprochen werden kann", sagt sie.
Helene Fischer, Deutschlands größter Musikstar und eigentlich immer da, wo der Erfolg zu Hause ist, brachte vor einigen Monaten ihren Hit "Atemlos" noch einmal heraus, nun mit Rapperin Shirin David. Die beiden Frauen trennen zwar nur rund zehn Jahre, gefühlt aber Welten. Dieter Bohlen, ebenfalls immer mit einem Ohr am Gleis des Musikmarktes, ist sogar schon mehrfach aktiv geworden. Vor fünf Jahren brachte er zum Beispiel schon einmal eine Neufassung von "Cheri, Cheri Lady" heraus, damals mit dem Berliner Rapper Capital Bra.
Volksmusiker Heino reüssiert neuerdings an der Seite des Rappers Tream, hat mit ihm ein Lied ("Anna") aufgenommen und ein interessantes Interview dazu gegeben ("Heino krönt einen Rapper zu seinem Nachfolger!", "Bild").
In eine ähnliche Kerbe schlägt das Werk "Pech & Schwefel", das Schlagerrocker Matthias Reim ("Verdammt, ich lieb dich") mit dem Rapper Finch aufgenommen hat. Im Begleitmaterial sieht man Reim auf einem Motorrad - und Finch im Beiwagen. Eine bestechende Symbolik.
Auch der Ex-Puhdys-Sänger Dieter Birr - genannt "Maschine", 80 Jahre alt und einer der erfolgreichsten Musiker mit DDR-Wurzeln - hat mit 80 Jahren den alten Puhdys-Hit "Das Buch" noch einmal mit Sängerin Nessi (34) eingesungen.
Fast schon prophetisch wirkt vor diesem Hintergrund die Zusammenarbeit von Rapper Bushido und Schlagersänger Karel Gott, der 2019 starb. Schon 2008 nahmen sie zusammen das Lied "Für immer jung" auf. Gott schmachtete darin mit seiner "goldenen Stimme aus Prag" die Zeile: "Für immer jung, ein Leben lang für immer jung." Es ist der Zustand, den wohl jeder Musikstar gerne hätte.