Zu Beginn eines ganzjährigen Ausstellungsreigens hat man um das Vermeer-Bild herum eine kleine, feine Schau mit Glanzstücken des "Goldenen Zeitalters" der holländischen Malerei inszeniert. Hinzu kommen "Schätze aus dem Depot", die zum Teil ein halbes Jahrhundert nicht mehr gezeigt wurden - darunter einige Kleinode der religiösen Kunst.Wer die riesigen Plakatwände vor dem Museum sieht, die eine in weißem Stoff und Pelz gekleidete Frau zeigen, wird vielleicht enttäuscht sein, wenn er das 42 auf 38 Zentimeter kleine Original von Vermeer erblickt. Aber wer sich diesem nähert, der entdeckt ein kostbares Bild der Stille und Ruhe.Weiches Licht strömt von einem hohen Fenster auf die schwangere Frau, die mit ganzer Konzentration ihre Hand still zu halten sucht, in der sie eine feine Goldwaage ausbalanciert. Vor ihr, auf dem Tisch, sind Perlenketten und ein blaues Tuch ausgebreitet. Geht es darum, den eigenen Reichtum zu schätzen? Ein großes Ölbild im Hintergrund verweist auf einen anderen Sinn - dargestellt ist das Weltgericht. Die Frau will möglicherweise ihr eigenes Leben ausrichten und im Bewusstsein des Jüngsten Tages das eigene Tun abwägen.Von der Stille in diesem Bild muss auch der bayerische König Max I. Joseph fasziniert gewesen sein, obwohl er den Namen Vermeer nicht kannte. Er hängte das Gemälde in seine Privatgemächer in der Residenz, und die Ausstellung rekonstruiert einen Teil seiner dortigen Bildersammlung. Der "Seehafen von Amsterdam" von Ludolf Bakhuizen hing über dem Bett des Königs, in den Salons Landschaften von Jacob van Ruisdael, die mit den hohen Wolken und den fedrig gemalten Bäumen das Auge fesseln.Doch nach dem plötzlichen Tod des Königs 1825 wurden seine Bilder auf einer Auktion versteigert, um Schulden zu begleichen. Das Herz seines Nachfolgers Ludwig I. schlug ohnehin mehr für Italien als für Holland, und so wanderte das Bild zunächst in verschiedene französische Schlösser, bevor es im 20. Jahrhundert Vermeer zugeschrieben und von einem amerikanischen Industriellen erworben wurde. Heute besitzt es die National Gallery of Art in Washington, die es nun für die kurze Dauer von drei Monaten nach München entleiht (bis zum 19. Juni). Schätze aus dem Depot gereinigt und restauriertBis zum 15. Januar 2012 sind dagegen die "Schätze aus dem Depot " zu sehen, die für diese Jubiläumsschau gereinigt und restauriert wurden. Sie setzen Akzente bezüglich der Sammlungsschwerpunkte des Hauses: Gezeigt wird altniederländische Malerei mit einem "Wahren Antlitz Christi" um 1600, eine Verkündigung von Fra Angelico unter den frühen italienischen Gemälden, biblische Szenen aus dem Antwerpen des 16. Jahrhunderts sowie holländische Architekturstücke des "Goldenen Zeitalters" und schließlich französische Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts, darunter der "Raub der Sabinerinnen" von Claude Deruet - ein Wimmelbild, das Gewalt und Eros auf unterhaltsame Art verknüpft und eine Unmenge von nackten Busen zur Schau stellt.Weitere Ausstellungen werden im Jubiläumsjahr die Sammlungen der Alten Pinakothek aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten. Ab dem 14. April werden 30 Werke von Lucas Cranach dem Älteren gezeigt. Unter dem Titel "Drunter und Drüber" wird ab dem 7. Juli unter die Lupe genommen, was sich unter der Malschicht der Werke von Altdorfer, Cranach und Dürer befindet. Historische Fotografien der Alten Pinakothek sind ab dem 28. Juli zu sehen. Und ab dem 13. Oktober lockt eine Schau über den italienischen Renaissance-Künstler Pietro Perugino. (0568/16.03.2011)Öffnungszeiten der Alten Pinakothek: Täglich außer Montags 10 bis 18 Uhr; Dienstags 10 bis 20 Uhr www.pinakothek.de epd lbm ak rks