Mexiko-Reisende aus Kulmbach, Regensburg und Hamburg Drei Fälle von Schweinegrippe in Deutschland

MÜNCHEN. Mit drei bestätigten Fällen hat die Schweinegrippe nun auch Deutschland erreicht. Das teilte das Robert Koch-Institut (RKI) am Mittwoch in Berlin mit.

 
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Die Schweinegrippe hat Deutschland erreicht. Zwei von bundesweit bisher drei Patienten werden aus Bayern gemeldet. Am Mittwochmorgen bestätigte sich der Verdacht bei einem Mann im Krankenhaus Regensburg, am Vormittag wurde das Virus auch bei einer 37-jährigen Frau aus dem Raum Kulmbach durch das Robert-Koch-Institut eindeutig festgestellt. Beide waren vor einer Woche aus Mexiko zurückgekehrt. Eine dritte Patientin wird in Hamburg behandelt. Die 22 Jahre alte Frau war ebenfalls nach einer Mexikoreise mit grippeähnlichen Symptomen in ein Hamburger Krankenhaus gekommen.

Vollständig genesen

Die Frau aus dem Raum Kulmbach sei bereits vollständig genesen, sagte Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU). Bei dem Mann in Regensburg hätten sich die Grippesymptome gebessert. Trotz dieser guten Nachricht gelte es nun, wachsam zu sein und besonnen und konsequent zu handeln. "Beide Fälle bestätigen, dass die Lage ernst zu nehmen ist." Bei insgesamt vier weiteren Menschen im Freistaat besteht der Verdacht auf Schweinegrippe. Alle Verdachtsfälle würden derzeit wie Bestätigungsfälle behandelt, um das Risiko zu minimieren, sagte Söder. Der Krisenstab arbeite rund um die Uhr.

Der erste Schweinegrippe-Patient war zuerst im Krankenhaus von Mallersdorf-Pfaffenberg (Landkreis Straubing-Bogen) behandelt worden. Am Dienstag sei er ins Universitätsklinikum in Regensburg verlegt worden, sagte ein Sprecher der Regierung der Oberpfalz. Die anderen etwa zehn Teilnehmer der Mexiko-Reise seien informiert worden, es gebe aber in diesem Kreis keinen weiteren Verdachtsfall. Söder sagte, er wolle noch am Mittwoch nach Regensburg fahren und mit den dortigen Medizinern sprechen.

Influenza-Viren des Typs A

Die Patientin aus dem Raum Kulmbach war mit ihrem Ehemann am vergangenen Mittwoch von einer Urlaubsreise aus Cancùn zurückgekehrt - KURIER online berichtete. Als sie am Freitag unter grippeähnlichen Symptomen wie Gelenkschmerzen und Fieber litt, ging das Ehepaar zum Arzt, der das Gesundheitsamt verständigte. Beide seien auf Erreger getestet worden.

Bei der Frau wurden Influenza-Viren des Typs A gefunden, bei dem Mann nicht. Das Ehepaar befindet sich den Berichten zufolge zu Hause, darf aber keinen Kontakt mit anderen Menschen haben. Bei keiner der Personen, die zuletzt Kontakt mit den beiden hatten, seien bislang grippeähnliche Symptome festgestellt worden.

Kein neuer Verdachtsfall unter Urlaubern

In dem ersten Direkt-Flieger nach München seit dem Ausbruch der Schweinegrippe in Mexiko gab es nach ersten Informationen keinen neuen Verdachtsfall. Es sei vom Piloten kein Verdachtsfall gemeldet wurde, sagte die Sprecherin des Landratsamtes Erding, Christine Centner, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur dpa. "Bisher sieht alles gut aus." Der Airbus 330 kam aus dem Urlauberort Cancún an der Küste der Halbinsel Yucatán. Noch vor dem Aussteigen sollten die Fluggäste von Mitarbeitern des Medizinischen Dienstes nach ihrem Befinden befragt werden, um zu prüfen, ob es wirklich allen gut geht.

Alle Passagiere sollen Ausstiegskarten mit ihrer Erreichbarkeit ausfüllen, damit sie informiert werden könnten, falls sich nach dem Flug Verdachtsfälle oder Erkrankungen ergeben sollten. Angehörige, die Urlauber vom Flughafen abholten, äußerten sich erleichtert. "Angst habe ich eigentlich nicht, aber etwas unsicher bin ich", sagte Gerdi Seitz aus Feucht bei Nürnberg.

In Bayern sind derweil für 20 Prozent der Bevölkerung Medikamente wie Tamiflu und Relenza für den Notfall eingelagert. Sie waren vor etwa drei Jahren im Zuge der Vogelgrippe und der bereits damals von Experten beschriebenen Pandemie-Gefahr angeschafft worden. "Wir sind gut vorbereitet", sagte Söder. Jeder Erkankte könne damit rechnen, ausreichend mit Arzneien versorgt zu werden. Da die Erkrankten gut auf Tamiflu ansprechen, gebe es Grund für gedämpften Optimismus, sagte Söder auch mit Blick auf die Erfahrungen in den USA. Unklar ist derzeit, wie gefährlich das Virus wirklich ist.

dpa

SCHWEINEGRIPPE: HINTERGRUNDINFEKTION: Schweine können sich wie Pferde, Vögel und Menschen mit Grippe infizieren. Die klassische Schweinegrippe ist unter den Tieren zwar stark ansteckend, es sterben jedoch nur wenige Schweine daran. Untersuchungen in den USA haben gezeigt, dass dort 30 bis 50 Prozent aller Tiere von kommerziellen Schweinefarmen eine Infektion durchgemacht haben. ÜBERTRAGUNG: Für Menschen sind die Schweine normalerweise nicht besonders ansteckend. Die US- Seuchenkontrollbehörde CDC hat in den USA allerdings seit 2005 einen Anstieg der Schweinegrippefälle bei Menschen registriert. Durch Schweinefleisch kann die Krankheit nach Angaben der Behörde nicht übertragen werden.FLEISCH ERHITZEN: Die US-Gesundheitsbehörde CDC geht davon aus, dass Schweinegrippe- Viren nicht durch Nahrungsmittel übertragen werden und weist darauf hin, dass ein Erhitzen von Schweinefleisch auf 72 Grad Celsius die Viren sicher abtötet. VIRUS: Die klassische Schweinegrippe ist ein Influenza-A-Virus vom Subtyp H1N1, der 1930 erstmals isoliert wurde. Daneben sind auch die drei Subtypen H1N2, H3N2 und H3N1 von Bedeutung. Bei dem jetzt bei Menschen in USA und Mexiko nachgewiesenen Grippeerreger handelt es sich um ein mutiertes Schweinegrippevirus vom Subtyp H1N1, das anders als gewöhnlich auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.  GRIPPEWELLE: Derselbe Subtyp zirkuliert auch regelmäßig im Rahmen der saisonalen Grippewelle. Schweine- und Menschengrippe vom Subtyp H1N1 unterscheiden sich nach CDC-Angaben jedoch in der Regel so stark, dass eine Impfung gegen den Erreger der Grippe beim Menschen normalerweise nicht gegen die Schweinegrippe schützt.SYMPTOME: Die Symptome sind ähnlich denen der saisonalen Grippe: Fieber, Müdigkeit, Appetitlosigkeit sowie Husten. Einige Menschen, die mit Schweineinfluenza-Viren infiziert waren, berichteten über Schnupfen, Halsschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. GESCHICHTE: In Amerika gab es im Jahr 1976 in New Jersey einen Ausbruch unter Soldaten. Vier Soldaten erkrankten an einer Lungenentzündung. Es gab einen Todesfall. Die Übertragung erfolgte von Mensch zu Mensch. TAMIFLU: Die US-Gesundheitsbehörde CDC erwartet nach den 20 bestätigten Fällen von Schweinegrippe in den Vereinigten Staaten weitere Erkrankungen. Die Behörde hat erste Hinweise darauf, dass die Grippemedikamente Tamiflu und Relenza bei der Schweinegrippe wirksam sind.ALARMSTUFEN: Das Risiko einer Grippepandemie ist nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) so hoch wie seit der Pandemie von 1968 nicht mehr. Um den Ausbruch einer schweren weltweiten Grippewelle möglichst früh zu erkennen, hat die WHO einen globalen Alarmplan aufgestellt. Das Pandemierisiko wird dabei in sechs Stufen angegeben. Seit einigen Jahren gilt wegen der Vogelgrippe Stufe 3. Das hat sich bislang auch durch die Schweinegrippe in Nordamerika nicht geändert. Die Risikostufen lauten:STUFE 1: Inter-Pandemiephase. Es werden keine Infektionen von Menschen durch Grippeviren von Tieren beobachtet.STUFE 2: Infektionen von Menschen durch ein neues Grippevirus aus dem Tierreich sind nachgewiesen. STUFE 3: Ein neues Grippevirus von Tieren infiziert Menschen, wird aber nicht oder nur in Einzelfällen von Mensch zu Mensch übertragen. STUFE 4: Die Übertragung von Mensch zu Mensch ist erhöht STUFE 5: Erhebliche Übertragung von Mensch zu Mensch.ANALYSE: Präsident Felipe Calderón rief die Bundesstaaten auf, alle Fälle von Grippe zu melden. Speziallabore, die den mutierten Schweinevirus aufspüren können, seien ab Mitte der Woche in Mexiko verfügbar. Bisher müssen die Proben in den USA und Kanada analysiert werden. ENTWARNUNG: Calderón berichtete am Sonntag vor dem nationalen Gesundheitsrat, von 1386 Grippe kranken Patienten in Krankenhäusern sei bei 926 Entwarnung gegeben worden. 386 Menschen seien weiter unter Beobachtung in den Hospitälern.DAX: Der DAX ist am Montag mit Verlusten in die neue Woche gestartet. In den ersten Handelsminuten fiel der Leitindex DAX um 1,57 Prozent auf 4600,82 Punkte. Befürchtungen über eine Ausbreitung der Schweinegrippe sorgten für neue Unsicherheit an den weltweiten Finanzmärkten, sagte Aktienhändler Matt Buckland von CMC Markets. NIKKEI: Die Börse in Tokio hat am Montag fester geschlossen, auch wenn die Sorgen um eine Ausbreitung der Schweinegrippe die Stimmung dämpften. Der Nikkei-Index für 225 führende Werte legte um 18,35 Punkte oder 0,21 Prozent auf 8726,34 Punkte zu.EURO: Der Euro ist am Montagmorgen unter die Marke von 1,32 Dollar gefallen. Händler verwiesen auf die gestiegene Risikoabneigung des Marktes, da die USA wegen der Schweinegrippe den nationalen Gesundheitsalarm ausgelöst haben. DOLLAR: Nun werde der Dollar als "sicherer Hafen" gesucht. Die europäische Gemeinschaftswährung kostete im frühen Handel 1,3178 Dollar. Ein Dollar war 0,7587 Euro wert. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Freitag noch auf 1,3232 (Donnerstag: 1,3050) Dollar festgesetzt. REISEN: Die amerikanischen Gesundheitsbehörden sehen derzeit für die USA und auch für Mexiko keine Reiseeinschränkungen vor. Für Deutschland veröffentlichte das Auswärtige Amt bis Sonntagmittag keine Reisewarnung, es empfiehlt Reisenden aber, "die Medienberichterstattung aufmerksam zu verfolgen". Das Robert Koch- Institut veröffentlicht Situationseinschätzungen im Internet. (Internet: www.rki.de)  REISESTOPP: Die Reiseveranstalter der TUI und von Thomas Cook bieten wegen der Schweinegrippe vorerst keine Reisen mehr nach Mexiko-Stadt an. Bei den Marken der TUI-Gruppe gilt dies bis zum 4. Mai. Auch bei Rundreisen werde die mexikanische Hauptstadt bis dahin nicht mehr angefahren, sagte TUI-Sprecher Mario Köpers in Hannover. Bei den Thomas-Cook-Marken (Neckermann, Thomas Cook Reisen) wird Mexiko-Stadt ebenfalls bei Rundreisen ausgespart. Stattdessen werden Aufenthalte an anderen Orten des Programms verlängert, sagte Sprecherin Nina Kreke in Oberursel (Hessen). Betroffen sind zunächst zehn Gäste, die am Dienstag nach Mexiko reisen sollen. STORNIERUNG: Mexiko-Reisende können nach Angaben des deutschen Reiseverbandes derzeit noch nicht wegen der sich ausbreitenden Schweinegrippe ihre Reise stornieren. "Ein solches Anrecht besteht derzeit nicht. Erst im Falle einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes werden Umbuchungen oder Stornierungen in der Regel kostenfrei möglich sein", so der Sprecher des Verbandes, Torsten Schäfer.LÄNDER: Zahlreiche Länder vor allem in Lateinamerika trafen Vorbereitungen, um ein Einschleppen des Virus aus Mexiko und den USA zu verhindern. Mexikanische Behörden spürten mögliche Grippekranke in Wohnungen, auf Flughäfen und Bahnhöfen auf. Russland sprach eine Reisewarnung für Mexiko aus. ÖFFENTLICHES LEBEN: In Mexikos Hauptstadt-Region sind seit Freitag alle Schulen geschlossen, Großveranstaltungen sind verboten. Fußballspiele werden ohne Publikum ausgetragen. Und auch die katholische Kirche hat die Pforten ihrer Kirchen für Sonntagsmessen schließen müssen. Die Regelungen gelten zunächst bis zum nächsten Wochenende.VORKEHRUNGEN: Thüringen trifft gemeinsam mit anderen Bundesländern Vorkehrungen gegen die Schweinegrippe. Derzeit würden alle 23 Gesundheitsämter im Freistaat über neue Entwicklungen informiert und mit Empfehlungen versorgt, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Montag in Erfurt. Thüringen stehe in engen Kontakt mit dem Bundes- und den entsprechenden Landesministerien.MÜNCHNER FLUGHAFEN: Nach dem Ausbruch der Schweinegrippe bereitet sich der Münchner Flughafen auf Verdachtsfälle bei der Einreise vor. Man sei sensibilisiert, sagte Flughafensprecher Florian Steuer am Sonntag dem Radiosender "Antenne Bayern". "Sollte ein Fluggast oder ein Crewmitglied entsprechende Symptome zeigen, wird er gemäß eines mit den Gesundheitsbehörden abgestimmten Alarmplans vom Medizinischen Dienst betreut und in ein Krankenhaus gebracht." Die erste Maschine aus Mexiko werde am kommenden Mittwoch in München erwartet, sagte der Sprecher. KRITIK: Die Ausbreitung des neuen Schweinegrippen-Virus hätte möglicherweise verhindert oder eingedämmt werden können, wenn die Behörden früher reagiert hätten. Nach Recherchen des "Kölner Stadt-Anzeiger" wurde in Mexiko bereits Mitte März eine ungewöhnliche Häufung schwerer Influenza-Erkrankungen beobachtet. Erst als im April die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle deutlich stieg, erkannte Mexiko dem Blatt zufolge die Brisanz. 

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