An dem riesigen Haus sind die mehr als 400 Jahre nicht spurlos vorübergegangen. Deswegen leben Marc und Sigrid Söllner mit ihren Kindern (14 und 15 Jahre) seit ihrem Einzug im August 2013 auf einer Baustelle. Einer durchaus gemütlichen Baustelle. Wer aktuell zu den Söllners will, der muss erst ein Tor auf einer Brücke durchfahren und dann auf einer hühnerleiterähnlichen schmalen Metalltreppe außen zum ersten Stock hoch. Bis ihre eigentliche künftige Wohnung im Erdgeschoss fertig wird – in einem ehemaligen Nähsaal – wohnen sie im Obergeschoss in einem riesigen Raum direkt unter dem Dach (inzwischen gedämmt und neu mit Alu gedeckt), Studenten-WG-Atmosphäre inklusive.
Doch bis das Provisorium so weit war, gab es auch Momente der Verzweiflung. Etwa als das Dach und der Boden des ersten Stocks offen waren und ein Gewittersturm aufzog. Und Sigrid Söllner in ihrem künftigem Wohnzimmer (dem im Erdgeschoss) in strömendem Regen stand. Wie bei einem so alten Haus unvermeidbar, gab und gibt es immer wieder böse Überraschungen, wie zum Beispiel abgefaulte Holzbackenköpfe. Inzwischen sind mehrere Eisenträger im Haus eingezogen, teils sogar senkrecht als Stützen.
Und im Keller ist neben der alten eine ultramoderne Technik eingezogen. Die alte Technik ist ein Wasserkraftwerk, das immer noch funktioniert und Strom produziert (seit 1924 als damals erster Strom in Mehlmeisel überhaupt), das sind Porzellanisolatoren mit freien Kupferleitungen an den Balkendecken. Die neue Technik, das ist Solarthermie, eine Luftwärmepumpe (sozusagen eine umgekehrte Klimaanlage) und die Regeltechnik für die Holzofenwarmwasserheizung. Dies alles, kombiniert mit der Einspeisevergütung aus der Wasserkraft, könnte dazu führen, dass das Haus energietechnisch mit einer schwarzen Null bewohnt werden kann, hofft Marc Söllner.
Die historische Perspektive auf ihr Haus haben sie dank der Häuserchronik von Josef Wiche. Einheimische wie Urlauber nehmen regen Anteil an dem Projekt: Leute, die als Kinder hier gespielt hatten, die mal in der früher hier befindlichen Pension gewohnt hatten oder die sonstige Erinnerungen mit dem Haus verbanden. Wann soll die Fertigstellung sein? Marc Söllner sagt trocken: „In ein, zwei, drei Jahren.“ Und Sigrid ergänzt: „Wir hoffen immer auf Weihnachten.“
Und trotz allem, der Mühe, Arbeit und Geld, die hier schon eingeflossen sind, wollen sie sich nicht festlegen, dass das Hammerwerk Unterlind für alle Zukunft Mittelpunkt ihres Lebens sein wird. Sie sprechen von einem „Lebensabschnittsprojekt. „Alles ist möglich, wer weiß was passiert. Trotz des großen Hauses haben wir unsere Wanderlust nicht verloren“, sagt Marc. „Unser Lebensweg zeigt, dass wir den geraden Weg verlassen und das Abenteuer suchen.“ Und Sigrid ergänzt: „Uns wird nicht langweilig.“
Daten aus Mehlmeisel: Einwohner: Einwohner:1321, Fläche: 13,23 km²; höchster Punkt: 827 Meter im Ahornberger Forst, niedrigster Punkt: 580 Meter am südlichen Ortsausgang.