Michael Güllner war zur Stelle, als sich sein Nachbar Klaus Weishäupl schwer verletzte „Ich war einfach nur da“

Von Steven Mularczyk
 Foto: red

Es war am späten Abend des 8. Juni 2012. Michael Güllner wollte schlafen gehen. Dann klingelte es an seiner Tür. Durch die Sprechanlage hörte der Eckersdorfer die aufgeregte Stimme seiner Nachbarin. Sie rief um Hilfe. Ihr Mann war kopfüber fast drei Meter tief gestürzt. Schwer verletzt war Klaus Weishäupl daraufhin auf der Terrasse liegen geblieben. Reflexartig greift sich Güllner das Telefon und ruft den Rettungsdienst an.

 
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Er versucht noch, durch sein Fenster zum Haus seiner Nachbarn zu sehen. „Es war aber stockduster, ich konnte nichts erkennen“, erinnert sich der 38-Jährige.

Danach rennt er mit seiner Nachbarin zum Haus. Hier hilft ihm seine Erfahrung als aktiver Feuerwehrmann. Güllner macht sich ein Bild von der Lage und der Schwere der Verletzung. Klaus Weishäupl liegt regungslos am Boden, er hat eine schwere Kopfverletzung, die stark blutet. Güllner prüft die Vitalfunktionen seines Nachbarn, versucht die Blutung zu stillen. „Da ist es dann, als würde man ein Programm abspulen“, sagt er.

Eigene Hausnummer angegeben

In der Hektik und Dramatik der Situation gab Güllner aber zuerst seine eigene Hausnummer als Unfallort durch: „Wer kennt schon spontan die Hausnummer seines Nachbarn, wenn sowas passiert?“ Bis die Sanitäter eintreffen kümmert er sich um Weishäupl, bleibt die ganze Zeit bei ihm. „Ich habe versucht, ihn am Bewegen zu hindern. Er hatte ja auch schwere Wirbelsäulenverletzungen“, sagt Güllner, „aber letztlich war ich einfach nur da.“

Auch nach dem Unfall war der Familienvater da, kümmerte sich mit seiner Frau um die Familie seines Nachbarn, bot Hilfe beim Einkaufen und täglichen Dingen an. „Für uns war es wichtig, auch danach noch ein Ansprechpartner zu sein“, sagt Güllner. So ist aus dem guten nachbarschaftlichen Verhältnis ein freundschaftliches Verhältnis geworden. „Man geht die Dinge nun mit einem ganz anderen Ernst an und kann über viele persönliche Dinge ganz selbstverständlich reden“, sagt er. So war bei ihm die Freude auch ehrlich groß, als Weishäupl nach etwa sechs Wochen wieder nach Hause kam.

Die Erfahrungen, die Güllner bei dem Unfall gemacht hat, wirken aber auch heute noch nach: „Es macht mich schon betroffen, wenn ich zurückblicke.“ Wie schnell aus einer Alltagssituation eine Extremsituation werden kann, lässt ihn nicht ganz los. „Das kann jedem passieren, da muss nicht mal viel dahinterstecken.“

Henry-Dunant-Münze erhalten

Für seinen Einsatz erhielt Güllner am Dienstag die Henry-Dunant-Münze des Bayerischen Roten Kreuzes. Auf die Ehrung hätte er aber auch gerne verzichtet: „Ich hoffe, dass ich sowas nie wieder erleben muss.“ Den Gedanken, er hätte etwas besser machen können, hatte er aber nie. Güllner: „Ich konnte nicht viel falsch machen. Das Wichtigste war, da zu sein und überhaupt was zu machen.“

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