Metzgern ist der Gipfel wurscht

Von Stefan Linß
 Foto: red

Und schon wieder geht Kulmbach leer aus. Der neue fränkische Bratwurstkönig kommt aus Markt Einersheim im Landkreis Kitzingen. Mit seiner Kerwa-Bratwurst und einer Gyros-Bratwurst hat er sich am vergangenen Sonntag beim Bratwurstgipfel in Pegnitz die Krone gesichert. Wenn es um die Wurst geht, kommt an Kulmbach doch normalerweise niemand vorbei. Das glauben zumindest viele Kulmbacher. Wie kann es also sein, dass der erste Preis noch nie in das gefühlte Zentrum der Genussregion Oberfranken vergeben worden ist?

 
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Zum achten Mal fand heuer der Bratwurstgipfel statt. Den Metzgereien-Wettstreit in Pegnitz lassen sich viele Kenner und Genießer der gegrillten Köstlichkeit nicht entgehen. Aber noch nie hat sich ein Metzger aus dem Landkreis Kulmbach beteiligt. Kein Wunder also, dass den Titel immer die anderen unter sich ausmachen.

"In der Tat hat bisher noch kein Kulmbacher Metzger am Bratwurstgipfel teilgenommen", bestätigt Uwe Raab. "Eigentlich schade, denn ich geh mal davon aus, dass auch in Kulmbach gute Bratwürste hergestellt werden", sagt der Pegnitzer Bürgermeister und Vorsitzende des Vereins zur Förderung der fränkischen Bratwurstkultur.

Verteilung über ganz Franken

Uwe Raab erklärt, wie das Auswahlverfahren für den Bratwurstgipfel funktioniert: "Im Dezember oder Januar werden uns von mit Unterstützung der drei fränkischen Handwerkskammern alle fränkischen Metzgerbetriebe angeschrieben und zur Bewerbung um einen Startplatz am Fränkischen Bratwurstgipfel aufgerufen. Teilnehmen können also alle Metzgermeister Frankens, Einschränkungen und Vorgaben gibt es unsererseits nicht", sagt der Bürgermeister. "Je nach Anzahl der Bewerber werden die Teilnehmer dann ausgelost. Hierbei achten wir aber auf eine Verteilung über ganz Franken."

Es sei auch schon vorgekommen, dass sich interessierte Metzger spontan und von alleine um eine Teilnahme beworben haben, erinnert sich Uwe Raab. Beim jüngsten Gipfel haben 14 Betriebe ihre Kreationen vorgestellt. Ein Kulmbacher war aber wieder nicht dabei.

Das dritte große B

Hinter Burg und Bier sind die Bratwürste als das dritte große B in Kulmbach fest verankert. Sie gehören zum kulinarischen Erbe, sind ein Stück Heimat und stiften Identität. Viele Menschen in Kulmbach glauben, sie befinden sich im Zentrum der Bratwurstkultur. Ganz ähnlich empfinden wohl die Coburger, die Nürnberger und die Thüringer.

"Ein Paar im Ganzen", bestellt der Kunde am Bratwurststand. "Mit Senf?", erwidert die Verkäuferin. "Ja, mit Senf", sagt der Kunde. Dieses Verkaufsgespräch findet in Kulmbach täglich unzählige Male statt. Manchmal entscheiden sich Kunden für den halben Bratwurststollen oder den puren Wurstgeschmack ohne Senf. Das Wesentliche ist aber seit Generationen unverändert geblieben. Ein Paar Kulmbacher Bratwürste sind trotz der Döner- und Pizza-Konkurrenz der Imbiss Nummer eins in Kulmbach.

Die Verkäuferin legt in ihrer Bude vor dem Ansturm zur Mittagszeit frische Würste auf den Rost. Vom Pegnitzer Bratwurstgipfel habe sie schon gehört, sagt sie im Gespräch mit dem Kurier. Aber mit solch exotischen Geschmacksrichtungen, die es dort anscheinend zu probieren gibt, könne sie nichts anfangen. Daheim beim Grillen im Familienkreis gibt es als Gipfel der Experimentierfreudigkeit höchstens ein Paar Grobe, sagt die Kulmbacherin. Doch danach müssen wieder die klassischen feinen Kulmbacher auf den Tisch.

Klassiker haben festen Platz

Die Klassiker haben auch beim Pegnitzer Bratwurstgipfel ihren festen Platz. Normale Coburger, Nürnberger und fränkisch-grobe Bratwürste hatten die Metzger für den Wettbewerb am Sonntag vorbereitet. Daneben waren in der Kategorie "Kreativbratwurst" aber auch Produkte mit Spargel, Kürbis oder Zwetschgen in Pegnitz am Start. Auf den Grills lagen unter anderem auch eine Schokoladen-Eierlikör-Bratwurst, eine Wildbretwurst mit Kraut und Beeren, eine Kreuzbergbierbratwurst und die siegreiche Gyros-Bratwurst.

Man muss ein Produkt, das bei den Kunden seit Jahrzehnten hervorragend ankommt, nicht neu erfinden. Das ist der Standpunkt von Jürgen Stübinger. Der Geschäftsführer der Frankenfarm in Himmelkron hat die klassischen Kulmbacher Bratwürste im Sortiment und ist damit sehr zufrieden. Die Kundennachfrage gibt ihm offenbar recht.

Natürlich habe auch er schon mit selbst gemischten Gewürzen experimentiert und in den Metzgertheken der Frankenfarm biete Jürgen Stübinger regelmäßig Bratwurst-Kreationen zum Beispiel mit Bärlauch oder Chili an. "Man muss schon mal variieren, aber die Kunden kommen immer wieder aufs Altbekannte zurück", sagt der Geschäftsführer.

Tradition ist Trumpf

An der gesamten Bratwurstproduktionsmenge der Frankenfarm mache der Anteil der groben Bratwürste rund fünf Prozent aus. Bratwürste mit neuen Geschmacksvarianten bleiben ein reines Nischenprodukt mit maximal drei Prozent an der Gesamtmenge. Der große Rest sind feine Bratwürste nach Kulmbacher Tradition.

Früchte oder Bier in das Brät zu mischen, kommt für Jürgen Stübinger nicht infrage. "Das geht mir zu weit", sagt er. "Wer braucht denn so was?" Der Frankenfarm-Chef sieht die Bratwurst als regionales und lokales Produkt. Es sei eine Herausforderung, die feinen Bratwürste beispielsweise in Coburg zu verkaufen. "Und in Kulmbach will keiner die dicken Fetten", sagt er.

Sich mit Exoten beim Bratwurstgipfel zu messen, das sei nicht sein Ding, sagt Jürgen Stübinger. "Von Prämierungen halte ich sowieso nicht so viel", erklärt er. "Uns gibt der zufriedene Kunde die Rückmeldung, dass es passt."

Mit Gorgonzola und Birne

Dabei kommen aus Kulmbach durchaus kreative Rezepte, wie der Gewürzhersteller Raps zeigt. Das Unternehmen teilt mit, der Verbraucher sei in Sachen Geschmack experimentierfreudiger denn je und möchte Neues ausprobieren. Dieser Wunsch lasse sich mit international angehauchten Bratwurstspezialitäten ganz leicht erfüllen. "Beispielsweise bringt die temperamentvolle Chorizo-Wurst das Flair Spaniens auf den Teller", heißt es bei Raps. Die mediterran gewürzte Bratwurst trägt den Namen "Italia" und lässt sich für eine ausgefallene Interpretation des beliebten Wurstbrötchens verwenden: im knusprigen Panini, mit Gorgonzola und Birne serviert.

Darüber hinaus hat der Gewürzhersteller die Zutaten für eine französische Bratwurst im Sortiment. Sie verspricht mit feiner Zitronennote in Begleitung von geschmorten Rotweinschalotten ein besonderes Geschmackserlebnis.

Kulmbach liebt die Klassiker und setzt gleichzeitig auf die ein oder andere neue Inspiration. Ob die Besucher des fränkischen Bratwurstgipfels in Pegnitz jemals in den Genuss kommen werden? Die Tür steht weiter offen, versichern die Organisatoren.


Die Wurst-Tradition

Über die fränkischen Bratwürste klärt die Genussregion Oberfranken auf. In der Spezialitätenbeschreibung heißt es: "In keiner Region ist die Geschichte der herzhaften Wurst präsenter, nirgendwo ist ihre Vielfalt größer als hier. Bratwürste sind das Aushängeschild nahezu aller oberfränkischen Metzgereien und die Leibspeise der Franken schlechthin." Die Rezepturen und Würzmischungen variieren von Ort zu Ort. Das bringe einen großen Geschmacksreichtum. Bratwürste werden in Oberfranken üblicherweise frisch angeboten und nicht gebrüht. Sie kommen also roh auf den Grill.

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