Messerattacke: Opfer hat Schutzengel

Von Moritz Kircher
Birhat N. (links) soll am 27. Oktober vergangenen Jahres in Pegnitz einen Mitbewohner in einer Asylunterkunft niedergestochen haben. Mit im Bild die Dolmetscherin Aziz Bekhal und Verteidiger Wolfang Schwemmer. Foto: Moritz Kircher Foto: red

War es ein versuchter Totschlag oder doch nur schwere Körperverletzung? Zu dieser Frage gab möglicherweise die Aussage des Chirurgen Aufschluss, der das Opfer einer Attacke behandelte. Hussein I., der in einer Asylunterkunft in Pegnitz lebt, wurde am späten Abend des 27. Oktober vergangenen Jahres von seinem Mitbewohner Birhat N. mit dem Messer angegriffen. Für die Tat musste er sich gestern am zweiten Verhandlungstag vor der großen Strafkammer am Landgericht Bayreuth verantworten.

 
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Kurz nach Mitternacht war der Chirurg Rainer Dippe zu einem Notfall in die Pegnitzer Sana-Klinik gerufen worden. Und er hatte das Opfer einer Messerattacke mit zwei blutenden Wunden vorgefunden. Eine an der linken Schulter, eine am linken Oberschenkel. Vor Gericht widersprach Dippe der Aussage des Notarztes vom ersten Verhandlungstag. Die Stichwunden seien nicht etwa einen halben Zeigefinger tief gewesen sondern zehn bis 15 Zentimeter. Seinem Kollegen will er keine Fehleinschätzung vorwerfen. "Als Chirurg langt man da einfach etwas beherzter rein", sagte Dippe.

Beinschlagader nur um Millimeter verfehlt

Und er machte noch eine Feststellung, die bei der Frage entscheidend sein könnte, ob der Angeklagte Birhat N. nur wegen schwerer Körperverletzung verurteilt wird ober es tatsächlich auch zu einer Verurteilung wegen versuchten Totschlags kommen kann. "Die Verletzungen waren nicht lebensbedrohend", sagte der Arzt. Aber: "Der junge Mann hatte aber einen unglaublichen Schutzengel." Denn der Stich ins Bein habe die Hauptschlagader nur um wenige Millimeter verfehlt. "Dann wäre er möglicherweise noch vor Ort verblutet."

Das Leben könnte dem Opfer das Handy in der Hosentasche gerettet haben. Das Messer traf zuerst das Handy und glitt von dort ab ins Bein. Diesen Verlauf hatte die Kriminalpolizei rekonstruiert, die den Fall gleich am Tag nach der Tat übernommen hatte. Das kaputte Handy und das Küchenmesser, mit dem Birhat N. zugestochen haben soll, nahmen die Prozessbeteiligten am zweiten Verhandlungstag in Augenschein.

Ein wichtiger Zeuge reist kurz vor Prozessbeginn zurück in den Irak

Vom Tathergang hatten Angeklagter und Opfer am ersten Verhandlungstag höchst unterschiedliche Versionen erzählt. Während der Beschuldigte aussagte, zuerst angegriffen worden zu sein, sagte das Opfer aus, die Gewalt sei ausschließlich von Birhat N. ausgegangen. Dass die Wahrheit wohl irgendwo dazwischen liegt, diesen Schluss lässt die Aussage des Gerichtsmediziners Elmar Schwabacher zu. Er hat kurz nach der Tat die beiden jungen Iraker untersucht und bei beiden Spuren einer körperlichen Auseinandersetzung gefunden.

Nach Aussage mehrerer Zeugen hatte das Opfer der Messerattacke in der Tatnacht einen Zimmergenossen des Angeklagten von einem Ausflug in die Stadt schwer betrunken wieder nach Hause gebracht. Darüber sollen die beiden jungen Männer in einen Streit geraten sein. Ein wichtiger Zeuge, ein Iraker, der das Tatgeschehen am Abend des 27. Oktober komplett verfolgt hatte, ist allerdings nicht mehr greifbar. Wenige Tage vor Prozessbeginn ist der Asylbewerber angeblich ohne Abschiebung wieder zurück in sein Heimatland gereist.

Der Prozess wird Anfang kommender Woche fortgesetzt. Obwohl sechs Verhandlungstage angesetzt sind, könnte die große Strafkammer am Landgericht Bayreuth schon an Tag drei ein Urteil fällen.

Lesen Sie hier den Bericht vom ersten Verhandlungstag.

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