Wenn in diesen Tagen ein Außerirdischer durch die Einkaufszentren gehen würde, käme er wahrscheinlich zu der Überzeugung, dass die Deutschen tief religiöse Menschen sind, die sogar beim Shopping allergrößten Wert auf christliche Symbole legen: Nikoläuse klettern an Hauswänden hoch, Lichterketten erhellen die Straßen, in den Kaufhäusern bieten verkleidete Engel Sonderangebote an, überall stehen Christbäume, aus Lautsprechern tönen fromme Lieder. Der Alien vom fremden Stern kann nicht wissen, dass er einem Trugschluss aufsitzt, nämlich dem "Weihnachts-Christentum", in dem sich Volksfrömmigkeit mit Kommerz vermischt. In Wahrheit denken hierzulande nur noch sechs Prozent der Menschen bei "Weihnachten" an die Geburt Christi, und die Tugend des Teilens ist in einem Geschenke-Rummel untergegangen, den zwei Drittel der Deutschen laut Umfrage sogar als störend empfinden. Weihnachten ist zu einem Motor für die Konjunktur geworden und soll die Kauflust anstacheln. Trotzdem scheint in den Menschen eine Sehnsucht nach Übersinnlichem zu stecken, anders ist die jährlich wiederkehrende Weihnachtsstimmung nicht zu erklären - auch wenn im November und Dezember die Werte auffallend häufig von der Kirche zum Supermarkt wandern.