Lang genug ist der Titel, um schon mal all das zu erzählen, was die folgenden 400 Seiten weit und breit ausspinnen. Er lautet in Rudolf Masts jüngst bei Mare erschienener Übersetzung: "Das Leben und die außergewöhnlich erstaunlichen Abenteuer des Seefahrers Robinson Crusoe aus York, der achtundzwanzig Jahre lang allein auf einer einsamen Insel vor der Küste Amerikas unweit der Mündung des Orinoco lebte, an deren Ufer es ihn nach einem Schiffbruch verschlagen hatte, bei dem außer ihm die gesamte Besatzung zu Tode kam, mit einem Bericht darüber, wie er schließlich auf ebenso eigentümliche Weise von Piraten gerettet wurde". Außerdem steht da noch: "Von ihm selbst verfasst". Was nicht stimmt; aber die Dichtung ist ja frei. Nicht Mr Crusoe schrieb die Aufzeichnungen nieder, auch nicht der Schotte Alexander Selkirk, dessen Seemannslos die Inspiration für die Romanfigur lieferte; vielmehr ließ der Engländer Daniel Defoe heute vor 300 Jahren das Buch in seiner Heimatstadt London erscheinen, als das zu Lebzeiten erfolgreichste und nach wie vor vielgelesene Hauptwerk seines Œuvres. Reich wurde er nicht damit: Sofort stürzten sich Raubdrucker, Verstümmler und Verhunzer auf den Text, den bis heute viele Ausgaben nicht vollständig bieten. Als erster deutscher Bearbeiter hielt, wie Günter Wessel im Nachwort der Neuedition berichtet, Joachim Heinrich Campe den Bestseller vorwiegend für "weitschweifiges, überflüssiges Gewäsch" in "schwerfälliger Schreibart". Dabei entsprechen Stoff und Intention so ganz dem Interesse der Aufklärungsepoche: Ein Individuum, der Zivilisation entrissen, rettet sich in unberührter Natur kraft seines Überlebenswillens und Erfindungsgeistes als "edler Wilder". Dass Defoe die - tatsächlich nur vierjährige Verweildauer - des Seefahrers mit der magischen Zahl sieben multiplizierte, auch das erlaubte ihm die Freiheit der Kunst. Foto: picture alliance/dpa