Fehlende Hausärzte
Besonders wichtig waren den Umfrageteilnehmern unter anderem eine weiterhin bezahlbare Gesundheitsversorgung, schnellere Termine bei Haus- und Fachärzten, bessere Bedingungen und eine bessere Ausbildung für die Beschäftigten sowie eine gute medizinische Versorgung in unmittelbarer Nähe ihres Wohnorts. Doch die Realität sehe anders aus, insbesondere wenn es um die Lage vor Ort gehe, sagte Lutz Hager, Professor für Management im Gesundheitswesen an der SRH Fernhochschule und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Managed Care. Bundesweit gebe es 4000 offene Hausarztstellen. Eines von vielen Negativbeispielen sei der der Ostalbkreis in Baden-Württemberg, wo derzeit nur 58 Prozent der rechnerisch nötigen Versorgung erreicht würden. „Mit dem Modell Hausarztpraxis an jeder Ecke kommen wir nicht weiter“, so Hager.
Die Gesundheitsexperten der Robert Bosch Stiftung plädieren stattdessen für die Einrichtung wohnortnaher Gesundheitszentren, in denen verschiedene Ärzte, Pflegekräfte und Vertreter anderer Gesundheitsberufe eng zusammenarbeiten. In Deutschland gebe es solche Zentren bis jetzt nur als einzelne Leuchtturmprojekte – etwa in Hamburg oder Berlin, sagte Wünning Tschol. Fast 80 Prozent der Umfrageteilnehmer simmten der Aussage voll und ganz oder eher zu, dass sich mit solchen Angeboten die medizinische Nahversorgung verbessern ließe. Allerdings hatten drei Viertel der Befragten zuvor noch nichts von diesem Konzept gehört oder gelesen.
Mehr Verantwortung für Pflegekräfte
Eine bessere Versorgung in der Fläche könnte laut Alscher auch das sogenannte Community Health Nursing bringen. Dabei übernehmen Pflegekräfte mit akademischer Ausbildung einen Teil der medizinischen Grundversorgung. So ließen sich die zunehmenden Versorgungslücken im ärztlichen Bereich abfedern. In Kanada oder Skandinavien werde dieser Ansatz bereits erfolgreich praktiziert. Solche Strukturreformen könnten dazu beitragen, die Gesundheitskosten im Rahmen zu halten, meint Alscher: „Wenn wir bessere Angebote vor Ort hätten, könnten wir 90 Prozent der Krankenhauseinweisungen verhindern“. Ein wichtiges Ziel sei auch die Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz – etwa durch bessere Informationsangebote zu medizinischen Themen oder zu einer gesunden Ernährung.
Die Verantwortlichen des Bosch Health Campus sehen sich durch die Ergebnisse der Umfrage in ihren bereits früher geäußerten Forderungen für einen Umbau des Gesundheitssystems bestätigt. Dazu war im Jahr 2018 die Initiative „Neustart! Reformwerkstatt für unser Gesundheitswesen“ ins Leben gerufen worden.
Umfrage zur Gesundheitspolitik
Erhebung
Für die repräsentative Umfrage haben die Meinungsforscher von Forsa vom 25. Januar bis 10. Februar 2023 bundesweit 1850 Personen ab 18 Jahren befragt. Die Erhebung im Auftrag des Bosch Health Campus der Robert Bosch Stiftung bildet den Abschluss der Initiative „Neustart! Reformwerkstatt für unser Gesundheitswesen“.
Organisation
Zum Bosch Health Campus unter dem Dach der Robert Bosch Stiftung gehören neben dem Robert-Bosch-Krankenhaus das Robert Bosch Center for Innovative Health, das Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie, das Robert Bosch Centrum für Tumorerkrankungen, das Institut für Geschichte der Medizin sowie das Irmgard-Bosch-Bildungszentrum.