Martina Herrmann zieht nach 14 Jahren die Notbremse Jugendcafé Hollfeld öffnet nur noch dienstags

Von Sarah Bernhard
04.10.2013, Hollfeld, Jugendtreff, Foto: Andreas Harbach, ha Foto: red

Weil die offene Ganztagsschule zum neuen Schuljahr an die Gesamtschule verlagert wurde, steht das Jugendcafé vor großen Veränderungen: Tägliche Öffnungszeiten und Betreuung bis in die Abendstunden wird es nun nicht mehr geben.

 
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Geschockt. Dieses Wort hört man derzeit oft, wenn man in Hollfeld nach dem Jugendcafé (Juca) fragt. Denn dessen Türen blieben auch nach Schuljahresbeginn geschlossen. Dabei war abzusehen, dass die Fertigstellung der neuen Räume in der Gesamtschule auch Auswirkungen auf das Juca haben würde. Konsequenzen zog daraus aber niemand. Bis es zu spät war.

"Ich musste"

Denn nun hat Martina Herrmann die Notbremse gezogen. „Ich musste.“ Seit Gründung des Jucas vor 14 Jahren war die 51-Jährige dabei. Sie und ihr ehrenamtliches Team von Helfern haben geschafft, wovon andere Erwachsene nur träumen: Dass eine Zwölfjährige sagt: „Wir waren wie Freunde.“

Rund 25 Jugendliche kamen noch vor einigen Jahren nach der Schule ins Juca, um zu essen, Freunde zu treffen, Hausaufgaben zu machen. „Von der ersten bis zur neunten Klasse haben wir alles dagehabt“, sagt Herrmann. Die gelernte Erzieherin wollte einen „Ort der Geborgenheit“ schaffen, an dem Jugendliche außerhalb der Schule ihre Zeit verbringen können. Jahrelang habe das gut funktioniert, sagt sie. Weil die Jugendlichen sehr offen zu ihr gewesen seien, habe sie sogar bei Elterngesprächen vermittelt. „Frau Herrmann hat Kinder, die etwas schwieriger waren, motiviert, war für sie da, teilweise haben sich sogar deren Noten verbessert. Das muss man ihr hoch anrechnen“, bestätigt Bürgermeisterin Karin Barwisch (Bürgerforum).

Finanziert wurde Herrmanns Arbeit im Juca durch eigene Veranstaltungen, etwa die Tombola beim Herbstmarkt oder das Catering beim Theatersommer. Dazu kamen ein monatlicher Beitrag von 40 Euro pro betreutem Kind und ein jährlicher Zuschuss von 5000 Euro von der Stadt Hollfeld. Nach Einführung der offenen Ganztagsschule (OGS) wurde eine der vier OGS-Gruppen ins Juca ausgelagert. Für die OGS-Betreuung bis 16 Uhr war an vier Wochentagen die Geschwister-Gummi-Stiftung zuständig, für die restliche Zeit das Juca. Die Kosten wurden geteilt.

Weil jetzt neue Räume in der Gesamtschule zur Verfügung stehen, sei dieses Auslagern unnötig geworden, sagt Christina Scharfenberg, Schulleiterin der Gesamtschule: „Mir ist es als Schulleitung lieber, ich habe alle Aktivitäten im eigenen Haus und kann sie kontrollieren. Denn wenn etwas schlecht läuft, fällt es schlussendlich auf mich zurück.“

"Im Juca war alles viel lockerer"

Die Kinder, die bisher im Juca waren, weil sie keine Lust auf Schule hatten, gehen jetzt gleich nach Hause – oder weiter in die Schule. So wie die zwölfjährige Viviann, für die die Juca-Teammitglieder zu Freunden geworden sind. „Im Juca war alles viel lockerer“, sagt sie. „Und viel gemütlicher“, sagt Nicole (13). „Hier fühle ich mich manchmal wie im Kindergarten“, ergänzt Michaela (16). Denn die OGS ist vor allem für Fünft- und Sechstklässler gedacht.

„Ich vermisse die Kinder tierisch“, sagt Martina Herrmann bei einem Treffen im leeren Jugendcafé. Aber sie sagt auch: „Ich musste etwas ändern, weil ich sonst nicht überlebt hätte.“ Nicht nur, dass die alleinerziehende Mutter dreier Kinder immer nur Jahresverträge hatte. Nach dem Wegfall der OGS war auch die Zukunft des Juca ungeklärt. „Ich hätte wenigstens die finanzielle Sicherheit gebraucht, um meine Familie zu ernähren.“

Doch die war nicht in Sicht: Ein Gespräch zwischen Stadt, Schule und Juca blieb ohne Ergebnis. „Was wichtig gewesen wäre, wären tatkräftige Menschen vor Ort gewesen. Interessenbekundungen nützen nichts“, sagt Elsbeth Oberhammer, Sachbereichsleiterin Tageseinrichtungen bei der Geschwister-Gummi-Stiftung. Sie hält es für nicht ausgeschlossen, dass die Gummi-Stiftung sich engagieren könnte, auch wenn offene Jugendarbeit nicht „ihr Feld“ sei. „Aber letztendlich ist die Frage: Wer zahlt? Und bezahlen kann es die Stiftung nicht.“

Barwisch sieht das Problem eher darin, eine neue Aufgabe fürs Juca zu finden. „Denn die Schüler, die Bedarf haben, werden ja in der Schule betreut.“ Sie schlägt vor, die Angebote mehr in die Freizeit zu verlegen. Und auch das Juca selbst sieht darin vorerst einmal die Zukunft: Immer dienstags wird es zukünftig einen Spieleabend geben, der von Ehrenamtlichen betreut wird.

Martina Herrmann wird zunächst nicht mitspielen. Sie hat sich eine Stelle gesucht, auf die sie sich verlassen kann. „Ich habe mit Sicherheit viele vor den Kopf gestoßen, aber ich war einfach sehr enttäuscht darüber, dass die ganzen Versprechungen nur leere Versprechungen waren.“ Sie hofft darauf, dass sich verantwortungsvolle Jugendliche finden, die das Juca ab und zu stundenweise öffnen und den Jüngeren Angebote machen. Und darauf, dass in der OGS-Betreuung jedes Kind mit seiner Geschichte gesehen wird. Viel Hoffnung hat sie allerdings nicht. „Es tut mir in der Seele weh, dass es für manche Kinder so ausgegangen ist.“


INFO: Am kommenden Dienstag können Jugendliche kostenlos Skat lernen und spielen. Beginn um 19 Uhr.