Mal eben 1500 Kilometer nach Norden

Von Frank Heidler

Ihre Benefiz-Auftritte mit Unterhaltungs-Allrounder Bernie Bauernschmitt gehören seit Jahren zu den kulturellen Höhepunkten in Pottenstein und der Region. Längst hat die 22-jährige bildhübsche Musikstudentin Rebecca Spörl ihren musikalischen Wirkungskreis gewaltig ausgedehnt. Bis ins „Land der 1000 Seen“, in Richtung nördlicher Polarkreis und Mitternachtssonne – bis nach Finnland.

 
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Es waren aber nicht (nur) die landschaftlichen Schönheiten, welche die langmähnige rothaarige Rebecca Spörl vor über drei Jahren veranlassten, ihren Lebensmittelpunkt fast 1500 Kilometer nach Norden zu verlegen. „Ich habe früher sehr viel ,Nightwish’ gehört und bin im Internet auf ein Interview der finnischen Metalband gestoßen. In dem Video haben sie auf Finnisch über ihr Heimatland und ihre Musik geredet. Das Video hatte zum Glück englische Untertitel, denn damals habe ich noch kein Wort Finnisch verstanden. Ich war total begeistert von der Sprache, der Kultur, der wunderschönen Natur und der Musik.“

Abi in Bayreuth

Als sie dann noch erfahren hat, dass es in Finnland die höchste Dichte an Metalbands pro Einwohner auf der ganzen Welt gibt, hat die ehemalige Schülerin des musischen Gymnasiums in Bayreuth im Geiste schon mal ihre Koffer gepackt. Nicht nur körperlich, sondern auch musikalisch legte sie für ihre Auswanderung nach Finnland einen weiten Weg zurück.

Oft Orgeltasten gedrückt

Ihre ersten musikalischen Sporen hat sich die Pottensteinerin hierzulande verdient. In mehreren Kirchen des evangelischen Dekanates Pegnitz drückte die Musikbegeisterte die Orgeltasten. Sieben Jahre lang begleitete sie die jeweilige Gottesdienstgemeinde zu jahrhundertealten Kirchenliedern, trällerte in der Pegnitzer Kantorei bei festlichen Anlässen mit und blätterte für Kirchenmusikdirektor Jörg Fuhr bei dessen virtuosem Spiel die Notenseiten um. Bei ihm legte sie auch die anspruchsvolle D-Prüfung für nebenamtliche Kirchenmusiker ab. Fuhrs Ehefrau Bernadetta – selbst anerkannte Solistin – gab ihr in dieser Zeit Gesangsstunden.

Preise am Klavier

Seit ihrem siebten Geburtstag spielt die Pottensteinerin Klavier. Bei den Regionalwettbewerben von „Jugend musiziert“ heimste sie bereits zwei erste Preise ein. Inzwischen bevorzugt sie aber einen deutlich modernen Sound. „Klassischer Gesang ist nicht wirklich mein Stil und im Pop/Jazz-Bereich lernt man so ziemlich alle Stilrichtungen, die existieren.“ Im Gesangsunterricht singt sie von Musiktheater bis Metal alles und das auch in verschiedenen Sprachen. Das soll sie möglichst gut auf ihr späteres Arbeitsleben als Musikerin vorbereiten.

Nun Gothic und mehr

Mit ihrer jetzigen Band „Averlanche“ probt sie dreimal pro Woche. Mehrfach hat sich die Jungmusikerin aber auch an diversen Projektbands in Turku beteiligt. Mit der Gothicband „Zerakiel“ aus Jyväskylä war sie vor längerer Zeit im Studio. Die eingespielten Titel werden irgendwann dieses Jahr veröffentlicht. „Und im Februar gehe ich mit ,Neljän Tähden Jallu’ ins Studio, um Zweitstimmen einzusingen. Das ist die Zweitband unseres Gitarristen. Sie machen akustische Covers und geben auch Konzerte.“

Am Konservatorium

Spörl schätzt sich glücklich, dass sie es an das Konservatorium in der südfinnischen Studentenstadt Turku mit ihren 188 000 Einwohnern geschafft hat. „Ich hatte Glück und ich weiß das auch zu schätzen.“ Dort kann sie auf einem Flügel üben, wann immer sie möchte und sich „jegliche Art von Technik“ für Auftritte ausleihen. „Ich bekomme jeden Tag kostenlos Essen und alle sind wie eine große Familie.“ Kaum vorstellbar: Schüler und Lehrer duzen sich.

Die erste CD

Die erste CD von „Averlanche“ wurde bereits eingespielt. Der Titel: „The machinery of life“. Sie wurde jetzt im Dezember veröffentlicht. Die CD kann man bei „Schmitts allerlei“ in Pottenstein kaufen, oder sich auch über Youtube oder Spotify anhören.

Über den Fluss

Um zur Uni zu gelangen, muss die Auswanderin täglich für eine Flussüberquerung die Fähre benutzen. Der Fluss Aurajoki führt mitten durch die Stadt. An landestypische Freizeitvergnügungen hat sie sich längst gewöhnt. Spörl enthusiastisch: „Finnland ist immer noch mein Traumland.“ Dennoch gibt es einige Unterschiede zu ihrer deutschen Heimat. „Im Winter war ich zum Beispiel mit Freunden Eiswasserschwimmen.“ In Finnland haben viele eine Hütte am See, zu der man im Sommer mit Freunden oder Familie fährt. Oder man mietet sich eine, falls man selbst keine hat.

Das Loch im Eis

Manche Finnen schlagen im Winter ein Loch ins Eis und laufen dann nach der Sauna übers dicke Eis zum Loch, um sich im Eiswasser abzukühlen. Danach geht es dann wieder zurück in die Sauna und immer so weiter. „Da war ich auch einmal mit dabei und es hat mir sehr gut gefallen.“ Die Sauna ist den Finnen heilig, das ist regelmäßig ein Familien-Event. Angeblich gibt es in Finnland zwei Millionen Saunen. Bei nur fünf Millionen Einwohnern.

Einfach andere Sitten

Andere Länder, andere Sitten: „Finnen, die an der Bushaltestelle warten, sehen für uns Deutsche sehr lustig aus, denn sie halten mehrere Meter Abstand voneinander, um dem anderen nicht zu nahe zu rücken.“ Im Bus würde man sich nie neben eine andere Person setzten, außer es geht nicht anders.

Finnen wollen nicht nerven

Generell wollen die Finnen andere Leute nicht nerven oder bedrängen. Deswegen gebe es auch kaum Smalltalk, und die Nachbarn „kennt man auch nicht immer mit Namen“. Am Land stehen die Häuser oft in sehr großen Abständen. Das heißt aber nicht, dass die Finnen nicht nett seien. „Mir gegenüber sind alle immer sehr gastfreundlich und hilfsbereit gewesen. Ich habe sehr schnell Freunde gefunden.“

Die Sache mit dem Essen

Rebeccas Favorit bei den Speisen ist „Ruisleipä“, ein aus Sauerteig hergestelltes Roggenbrot. Es gibt einige finnische Spezialitäten, zum Beispiel Elch- und Rentierfleisch. Aber die gängigsten, die öfter gegessen werden, sind zum Beispiel „Karjalanpiirakka“. Das ist ein Gebäck aus Ostfinnland, gefüllt mit Reis oder Kartoffeln. Beliebt ist auch „Salmiakki“, eine Art Salzlakritz sowie „Leipäjuusto“, so etwas wie „Knisterkäse“ oder „Brotkäse“. Rebeccas Essenserlebnis: „Er quietscht wie Gummi beim Reinbeißen.“. Das Alltagsessen sei dem in Deutschland aber sehr ähnlich.

Ziemlich regnerisch

Und das momentane Wetter auch. „Es ist sehr regnerisch.“ Zumindest dafür hätte die Europabummlerin also nicht von Deutschland nach Finnland auswandern müssen ...

Übrigens: Interessierte können in Rebecca Spörls neue CD hineinhören unter www.averlanche.com

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