Luisenburg präsentiert Kroetz-Drama

Von Michael Weiser

Erstmals ein Stück von Franz Xaver Kroetz bei den Luisenburg-Festspielen: Eine Frau muss ins Altenheim und nimmt von ihrer Wohnung Abschied. In "Weitere Aussichten" erzählt sie von ihrem Lebensabend. Wir sprachen früher am Tage mit Regisseurin Steffi Baier über Wahnsinnswurzn, über neue Hausmittel gegen Erkältungen und eine große Volksschauspielerin.

 
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Sie gelten als Sommer-Fan, als jemand, dem in der warmen Jahreszeit der Tag nicht früh genug beginnen kann. Wo waren Sie denn heute schon?

Steffi Baier: Normal bin ich gerne schon um sechs Uhr morgens auf der Kösseine, aber heut war ich noch nirgends. Ich bin ein bisserl angeschlagen, weil der Wind so in den Museumshof reingepfiffen hat. Aber ich hab gestern einen Schnaps getrunken und eine Aspirin genommen, und jetzt geht’s mir schon wieder besser.

Wie sind denn die weiteren Wetteraussichten?

Steffi Baier: Ich geh einfach davon aus, dass es schön ist, das Wetter zieht hier ja schnell weg. Ich wohn' am Tegernsee, da kann sich schlechtes Wetter schon mal festhängen. Aber hier: Am Morgen kann es Regen geben,  und am Abend ist es total klar.

Schlechtes Wetter ist bei den Luisenburg-Festspielen aber auch wirklich ein Risiko. Kürzlich ist Michael Altmann krank geworden, weil er beim "Verkauften Großvater" bei Regen auf der Bühne stand. 

Baier: So lange es nur leicht nieselt, spielen wir im Museumshof weiter. Sollte es schlimmer werden, würden wir eine Lesung im Museum daraus machen.

"Man spürt ihre Kraft"

Es geht wie im "Großvater" auch bei den "Weiteren Aussichten" um alte Menschen. Was hat das Kroetz-Stück mit dem Stück von Anton Hamik zu tun?

Baier: Der "Verkaufte Großater" wird in den "Weiteren Aussichten" angesprochen. Weil ja die Kinder zur Frau Frau Ruhsam sagen: Es ist ja nicht wie beim verkauften Großater, dass wir dich loswerden wollen. Aber genau so sieht es natürlich trotzdem aus.

Kroetz schrieb das Stück  für Therese Giehse. Was wissen Sie über diese große Schauspielerin? 

Baier: Ich bin genau so alt wie das Stück und hab von der Giehse natürlich ein paar Bilder im Kopf. Es gibt auf Youtube einen 45 Minuten-Film,  und man spürt, wenn man den anschaut, ihre Kraft. Die Theaterfassung des Stücks wurde 1975 in Karl-Marx-Stadt uraufgeführt, und das war's dann im wesentlichen. Ein Onkel hat mir übrigens gesagt, dass wir weitläufig mit ihr verwandt sind.

Warum ist das Stück nicht öfter gespielt worden?

Baier: Ich glaube, dass es aus Respekt vor der großen Therese Giehse nicht mehr gespielt worden ist. Vielleicht auch, weil es zu uneitel oder schlicht ist. Mir gefällt es wahnsinnig gut, dass es nicht so theatrig ist, dass da ein normaler Mensch im Zentrum steht, dass das eine einfache Geschiche ist.

"Das Innere sichtbar machen"

Was noch macht diesen Kroetz-Text für Sie spannend?

Baier: Die Sprache ist ganz toll, ich habe letzten Jahr den Fritsch hier gemacht, "Es gibt keine Sünde im Süden des Herzens". Das war der Kontrast zu Kroetz, eine doppeldeutige Sprache mit viel Melodie und Text, eine ziemlich wilde Geschichte. Die Frau Ruhsam in "Weitere Aussichten" dagegen ist ganz einfach und schlicht, die redet nicht viel, aber in dem wenigen sind so viele Farben und Gemütszustände, das muss man auch erstmal erwischen. In der Reduktion liegt viel Kunst. So präzise auf den Punkt zu kommen, daran arbeiten wir in den Proben richtig hart. Kroetz strebt eine Horvath-Sprache an, mit langen Pausen, wo man sich überlegen muss, wie man sich wo hinbewegt, wie man die nächste Farbe erwischt. Es ist eine große Herausforderung, das Innere sichtbar zu machen. Im Fernsehen ist das kein Problem, weil man nah rangehen kann. Aber im Museumshof ist das was anderes

Bei Horvath steht oft als Regieanweisung: "Stille"...

Baier: Ich hab kürzlich "Kasimir und Karoline" gemacht. Da waren die Zuschauer manchmal schon gefordert. Sagt jemand zu mir: Beim "Nackten Wahnsinn" hast du eine so flotte Inszenierung gemacht, und jetzt machst du so ein ziagetes Zeug. Das haut natürlich schon rein, ein Stück von Horvath. Aber natürlich ist der toll, und wen man das aushält, dann ist das einfach großartig. Gabi Dossi lässt sich Zeit. Sie hat noch nie einen Monolog gemacht. Sich diesen Raum zu nehmen, diese Stille auszuhalten, das ist es, was einen älteren Menschen auszeichnen kann. Die Frau Ruhsam steht irgendwie schon drüber, die hat alle Zeit der Welt, das ist das Gegenteil zu unserer Tackatacka-Gesellschaft. Man muss sich mal klarmachen, wie das ist mit älteren Menschen, wie man sich da fühlt, wie man teilnimmt am Leben. Es geht darum, was das ist: die Würde des Menschen, was das ausmacht, dass man noch teilnehmen darf. Wow, da fängt gleich mein Herz an zu pochen.

"Cherubim" haben Sie auch schon inszeniert. Sind Sie Spezialistin für Senioren?

Baier: Mit Lohmeyer habe ich kürzlich eine Lesung gemacht, mit dem Titel "Dement oder weise?". Ich hab schon mit den Weiseren zu tun. Ich hab eine brutal energische Oma, das ist eine Wahnsinnswurzn, die ist 88 Jahre alt und tuckert noch immer mit ihrem Heizöl-Ferrari umeinand. Die  andere Oma lebt nimmer, aber da war auch eine brutale Kraft dahinter. Seit "Cherubim" habe ich mit älteren Menschen zu tun, mit Menschen aus dieser gewissen Generation, wo die Nachkriegszeit mit reinspiel. Heuer führ ich noch "Omas verreckter Hof" von Georg Ringswandl auf, da geht es um eine grantige, wilde Frau, die gradraus ist, und dann inszeniere ich noch den "Dampfnudelblues" wo's um Kinder und alte Leute geht, die so etwas wie einen Freibrief haben. Auf "Weitere Aussichten" sind wir durch Billie Zöckler gegekommen. Und weil der Museumshof der Hof des ehemaligen Spitals ist, wo früher alte Männer ihren Lebensabend verbracht haben, kann man schon sagen, dass auch der Genius Loci mitspielt.

INFO: "Weitere Aussichten", Premiere am Dienstag, 12. Juli. Weitere Aufführungen am 16., 17. und 22. Juli, sowie am 4. August, jeweils um 20 Uhr im Hof des Fichtelgebirgsmuseums.