Restaurator Christoph Schölzel entfernt die nicht mal einen Millimeter dünne Schicht extrem vorsichtig - mit winzigem Skalpell unter dem Mikroskop. "An einem guten Tag schaffe ich ein bis zwei Quadratzentimeter." Seinen Angaben nach sind die Originalfarbe und Teile von Vermeers Firnis erhalten und Pinselstrukturen erkennbar. Ein alter Kratzer an der Schulter des Cupido sowie eingetrocknete gealterte Farbe seien Indizien, dass das Gemälde schon Jahrzehnte alt war, bevor die Figur übermalt wurde.
Schölzels Präzisionsarbeit macht die seit Frühjahr 2017 laufende Restaurierung des 83 mal 64,5 Zentimeter großen Gemäldes aufwändiger als gedacht, sie wird noch mindestens ein Jahr dauern. In einer kleinen Ausstellung können Besucher den Zwischenzustand bis 16. Juni in der vom Künstler beabsichtigten subtilen kühlen Farbigkeit sehen und den Amor, der der Briefleserin von oben über die Schulter zu schauen scheint.
Die mit der Erforschung verbundene Restaurierung wurde dank einer sechsstelligen Summe der Hata-Stiftung in Tokio möglich, die sich weltweit für Vermeer und Alte Malerei engagiert. Eine internationale Expertenkommission begleitet das Forschungsprojekt. Von Vermeer, einem der bedeutendsten holländischen Maler des 17. Jahrhunderts neben Rembrandt und Frans Hals, sind laut Koja nur rund drei Dutzend Gemälde bekannt. Zwei davon befinden sich in Dresden: "Bei der Kupplerin" (1656) und die Briefleserin. Sie werde künftig wieder so zu sehen sein, wie sie das Atelier einst verließ - nach rund drei Jahrhunderten.
Ausstellung: Johannes Vermeer "Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster" – ein Restaurierungsprojekt der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister, 8. Mai bis 16. Juni Öffnungszeiten: täglich außer montags 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr