"Die Lage ist vielerorts wirklich dramatisch“
„Es fehlt an allen Ecken und Enden, die Lage ist vielerorts wirklich dramatisch“, erklärte am Montag die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann. Das Kultusministerium müsse darauf mit einem „Notprogramm“ reagieren“, forderte Fleischmann.
Der oberfränkische BLLV-Vorsitzende Henrik Schödel erklärte, die Schulleiter hätten momentan „immense Schwierigkeiten“, den Unterricht adäquat durchzuführen und für erkrankte oder pensionierte Kollegen Vertretungen zu finden.
„Wir versuchen mit allen möglichen Maßnahmen, den Unterricht aufrechtzuerhalten, aber es ist bei vielen der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr geht“, sagte Schödel auf Nachfrage. Kurzfristige Entlastung durch die mobile Reserve sei nicht möglich, weil die dort eingesetzten Lehrkräfte oft schon seit Monaten verplant seien. „Da kommt derzeit gar nix“, erklärte Schödel.
Seit Wochen nur Notpläne
Noch deutlicher als Schödel äußerte sich die BLLV-Bezirkschefin der Oberpfalz, Ursula Schroll. „Die Lage ist vollkommen katastrophal, die Schulleiter tun seit Wochen nichts anderes, als Notpläne zu stricken“, erklärte sie.
Um ein Loch zu stopfen, müsse an anderer Stelle ein neues aufgerissen werden. „Ein so miserables Schuljahr habe ich noch nicht erlebt“, sagte Schroll mit Blick auf ihre inzwischen fast 40 Jahre im Schuldienst. Die Belastung der gesunden Lehrkräfte durch Vertretungen übersteige inzwischen oft die Grenze des Zumutbaren.
Als „Lotsen“ tätige Grundschullehrer vorübergehend abziehen
Das vom BLLV vorgeschlagene „Notprogramm“ sieht vor, von Grund- und Mittelschullehrern zusätzlich geleistete Aufgaben befristet auszusetzen, damit die Lehrkräfte zur Sicherstellung des regulären Unterrichts verfügbar sind.
Vorgeschlagen wird, die in den 5. Klassen der Gymnasien und Realschulen als „Lotsen“ tätigen Grundschullehrer vorübergehend abzuziehen und die grundschulvorbereitenden Kurse in Kindergärten auszusetzen.
Allein in Oberfranken würden pro Woche 387 "Lotsen"-Stunden von Grund- und Mittelschullehrern in Realschulen und Gymnasien geleistet, erklärt die Abgeordnete Brendel-Fischer.
Diese Maßnahmen seien nicht überflüssig, in der aktuellen Lage müsse aber die reguläre Unterrichtsversorgung Priorität haben, betont Fleischmann. Im Bereich eines durchschnittlichen Schulamtes auf Landkreisebene könnten so 170 Wochenstunden für die Gewährleistung des Unterrichts gewonnen werden.
Das Kultusministerium räumt "unvorhersehbare" Engpässe ein
Das Kultusministerium sprach von einer „angespannten Situation“ an den Grund- und Mittelschulen. Hauptgründe dafür seien die aktuelle Grippewelle und die zusätzlichen Klassenbildungen für Flüchtlingskinder.
Neben schulhausinternen Maßnahmen versuche die Schulverwaltung unter anderem durch den Einsatz von nicht übernommenen Gymnasial- und Realschullehrern oder die auf ein Arbeitszeitkonto verbuchte Mehrarbeit von Lehrkräften die Unterrichtsversorgung sicherzustellen.
Trotzdem lasse es sich „nicht restlos ausschließen, dass es an einzelnen Schulen zu unvorhersehbaren Engpässen kommt“, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums. Die Vorschläge des BLLV seien ein Beitrag für eine konstruktive Lösung der aktuellen Probleme.