Lederwaren aus dem Pornokino

Von Uwe Renners

Die Dinge sind nicht immer so, wie sie zu sein scheinen. Eine Fliege muss nicht immer eine Fliege sein. Manchmal ist sie auch ein Paar Handschellen. 

 
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Stefan Mache wird den männlichen Festspielbesuchern demnächst wieder auf ihre Fliegen schauen. Einige davon hat der Modedesigner selbst entworfen. Er weiß um ihr dunkles Geheimnis. 
Stefan Mache sitzt im ehemaligen Pornokino gegenüber dem Bahnhof. Dort, wo er vorne mit seinem Partner Thorsten Heim einen Sexshop betreibt, hat der 35-Jährige seine Werkstatt. Vom Pornokino ist nicht mehr viel zu sehen. Ein paar Schlitze in den Wänden, ein Karabinerhaken an der Decke – Artefakte aus einer Zeit, in der dort noch Leinwände standen und aus Boxen laut gestöhnt wurde. Jetzt läuft Opernmusik. Mache ist Wagner-Fan. Viele seiner Kunden auch. „Zur Festspielzeit steigt unser Umsatz um 40 Prozent“, sagt er. 

BDSM

Der 35-Jährige entwirft und produziert BDSM-Accessoires aus Leder. Der Begriff BDSM, der sich aus den Anfangsbuchstaben der englischen Bezeichnungen „Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“ zusammensetzt, beschreibt eine sehr vielgestaltige Gruppe von meist sexuellen Verhaltensweisen, die unter anderem mit Dominanz und Unterwerfung, spielerischer Bestrafung sowie Lustschmerz oder Fesselungsspielen in Zusammenhang stehen können. Diese Spielart hat spätestens seit dem Film „50 Shades of gray“ eine große Fangemeinschaft. Die, so sagt Mache, „ist sehr kultiviert und finanzstark“. Früher hat der Modedesigner Kinderbuggys entworfen. Vor zehn Jahren hat er mit Thorsten Heim den Sexshop übernommen. „Ich habe damals die Masken und Handschellen gesehen, das kam alles aus China. Da habe ich gedacht, das kann ich besser.“

Lederhandschellen

Die ersten Lederhandschellen näht er vor sechs Jahren in seinem Wohnzimmer. Die nächsten 50 auch noch. Verkauft sie nach Hamburg auf die Reeperbahn und an Einzelkunden. Dann kommt der Anruf eines Großhändlers aus Frankreich. „Es lagen in der ganzen Wohnung Handschellen“, erinnert er sich. Seitdem ist Mache im Geschäft, verkauft in die ganze Welt. Frankreich, Australien, Hong Kong, Kanada – seine Kunden sind überall. Nicht nur auf dem Grünen Hügel. Das Pornokino ist der Werkstatt gewichen. „Wir haben uns dafür so entschieden“, sagt er. Bereut haben sie es nicht.

90 Produkte

Der gebürtige Allgäuer entwickelt 90 Produkte in den vergangenen sechs Jahren. Führungsleinen, Halsbänder, Handschellen, Peitschen, Masken und mehr. Am Anfang steht immer das Papier. Mache: „Manchmal liege ich im Bett und habe eine Idee.“ Die wird aufgezeichnet, anschließend ein erster Schnitt gemacht und ein Prototyp konstruiert. Manches wird auch vorher getestet. 
Für den Designer liegt der Reiz darin, dass seine Entwürfe modisch und gleichzeitig zielgerichtet sind. Jedes Halsband, jede Peitsche – alles ist Handarbeit. Das begründet auch den Preis, den die Kunden zahlen: Zwischen 50 und mehreren Hundert Euro. 

Masken

Eine seiner Masken hat er vor einiger Zeit in der Vogue entdeckt. Mache: „Da habe ich mich riesig drüber gefreut. Normalerweise komme ich mit meinen Entwürfen ja in keine Modezeitschrift.“ Er liest sie aber trotzdem und lässt sich davon inspirieren. Viele seiner Lederaccessoires tragen seine Kunden auch im Alltag. „Zum Beispiel zum Dirndl.“ Oder halt zu den Festspielen. „Wenn es den Leuten gut geht, dann haben wir volle Bücher. In der Krise flacht das ab.“ Momentan geht es den Menschen gut. Er und sein Geschäftspartner bereiten alles für die Festspiele vor. Dann werden die Sexshop-Besucher international. Franzosen, „die mögen es mit viel Schmuck“, oder Chinesen, „die mögen es härter“, kommen dann an die Bahnhofstraße. „Vergangenes Jahr hat ein französisches Paar ein Halsband und eine Führungsleine gekauft. Er hat es seiner Partnerin noch bei uns angelegt und sie sind dann über die Bahnhofstraße gelaufen. Das fanden wir auch außergewöhnlich“, sagt Mache. Obwohl er sich eigentlich über nichts mehr wundert. Auch nicht über Fliegen, die einmal vom Hemd entfernt, sich mit ein paar Handgriffen in Handschellen umwandeln lassen. Eines seiner liebsten Entwürfe übrigens. Mit denen ab dem 25. Juli wieder einige Festspielbesucher unterwegs sein werden. Wenn sie durch die Sicherheitskontrollen damit kommen. 

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