Landkreis Bayreuth Leidenschaftliche Appelle im Jugendhilfeausschuss

Der Landkreis wendet hohe Summen auf, um Heranwachsende zu betreuen. Foto: red/Uli Deck

Der Landkreis muss im nächsten Jahr höhere Ausgaben für Jugend und Familie finanzieren. Während der Sitzung des Jugendhilfeausschusses gab es leidenschaftliche Appelle.

 
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Das Wort „dramatisch“ hat in den vergangenen Monaten meistens die Situation mit den Geflüchteten beschrieben. Nun wird das Wort auch verwendet, um die Lage bei Jugend und Familie darzustellen. Am Freitag im Ausschuss für Jugendhilfe war hin- und wieder sogar von „äußerst dramatisch“ die Rede.

Das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: „Äußerst dramatisch“ heißt um 17 Prozent höhere Ausgaben für Jugend und Familie im kommenden Jahr. Das sind 12,6 Millionen Euro nach 10,8 Millionen im Vorjahr. Fast 1,8 Millionen Euro mehr soll der Landkreis 2024 zahlen.

„Das zeigt, dass wir in bewegten Zeiten leben“, so Landrat Florian Wiedemann, Freie Wähler. Die Pandemie wirke nach und auch andere Krisen hinterließen Spuren im sozialen Bereich. Der Landrat ganz offen: Das habe finanzielle Auswirkungen, die wehtun. Aber es sei die Realität.

Der Bereich Jugend und Familie sei eine Pflichtaufgabe für den Landkreis. Der werde sich dieser Aufgabe stellen und sich um die Schwächsten kümmern, so Wiedemann.

Während die Sachbearbeiterin Carola Keller die geplanten Einzelposten vorstellte, hielt es den Fachbereichsleiter Sven Fischer nicht auf seinem Stuhl. Mit leidenschaftlichen Worten umriss er, was gerade abläuft: Die Struktur der Jugendhilfe im Landratsamt sei massiv gefordert. Es sei schwierig, die Arbeit aufrecht zu erhalten. Fischer bezeichnete die Jugendbehörde als einen Ausfallbürgen, wenn Eltern nicht mehr für ihre Kinder da sind. Und er sagte: „Es ist dramatisch, was in Familien vonstatten geht.“ Was die Jugendhilfe tue, reiche nicht aus, so Fischers Worte. Es gebe einen Rückstau und lange Wartelisten.

Fischer nannte auch ein Beispiel aus der Praxis. So suche die Jugendhilfe seit inzwischen fünf Monaten bundesweit nach einem Therapieplatz für einen zwölf Jahre alten Jungen. Bislang jedoch erfolglos.

Jugendliche nach Corona zu aktivieren, gelinge nicht immer. Fischer: „Jeder verlorene Teenager ist für immer für die Gesellschaft verloren.“ Der Fachbereichsleiter warb beim Ausschuss für Zustimmung zu den Ausgabeplänen. Die Mitarbeiter würden verantwortungsbewusst mit dem Steuergeld umgehen.

Kreisrat Christian Porsch, Wahlgemeinschaft, warnte. Es zeige sich, wohin die Gesellschaft abdrifte. Der Landkreis müsse dafür aufkommen, was ihm Gesetze des Bundes vorschreiben. Allerdings ohne dafür Finanzierungen zu erhalten. Mit Blick auf die Situation bei den unbegleiteten Flüchtlingen äußerte Landrat Wiedemann scharfe Kritik an der Bundesregierung. Sie stelle hohe Ansprüche an den Landkreis, der stets hinterherlaufen müsse, um seine Ausgaben erstattet zu bekommen. Wiedemann kündigte an, er werde erneut ein Spitzengespräch führen. > Minderjährige Ausländer: Der Ansatz für unbegleitete minderjährige Ausländer muss laut Plan von 720 000 auf eine Million Euro erhöht werden, bei den Volljährigen von 180 000 auf 450 000 Euro, wie Carola Keller erklärte. Derzeit betreut das Landratsamt 45 Minderjährige. Der Bezirk erstatte die Kosten mit erheblicher zeitlicher Verzögerung. > Familienhilfe: Sie richtet sich an Familien und Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, die durch interne Probleme oder soziale und gesellschaftliche Entwicklungen so stark belastet sind, dass sie sich aus eigener Kraft nicht mehr helfen können. Der Ansatz steigt von 320 000 auf 400 000 Euro. Geholfen wird derzeit 52 Familien. Im Vorjahr waren es laut Landratsamt nur 40. > Vollzeitpflege: Aktuell hat das Landratsamt 109 Kinder in Pflegefamilien untergebracht. Der Ansatz muss von 1,3 auf 1,4 Millionen Euro erhöht werden. Heimunterbringung: Die Zahl der Heimkinder ist mit derzeit 30 gegenüber 22 im Vorjahr stark gestiegen, wie Carola Keller berichtete. Der Ansatz steigt von 1,6 Millionen und 2,5 Millionen Euro. > Eingliederungshilfe – Stationäre Leistungen: Wie Carola Keller weiter ausführte, sind stationäre Unterbringungen im Rahmen der Eingliederungshilfe sehr teuer. Gegenwärtig gibt es 15 Fälle im Landkreis. Der Haushaltsansatz muss von 900 000 Euro im Vorjahr auf 1,7 Millionen Euro im nächsten Jahr erhöht werden.

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