Landjugend läuft für Flüchtlinge

Von Sarah Bernhard

185 Läufer, 4,2 Kilometer Strecke und ein Ziel: So weit zu laufen, wie ein Asylbewerber laut Landjugend durchschnittlich reisen muss, um nach Deutschland zu kommen. Bei einem Integrationslauf von Landjugenden und Asylbewerbern am Sonntag wurde dieses Ziel deutlich überschritten. Doch der Lauf gefiel nicht jedem.

 
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Max Raimund bräuchte kein Mikrofon. Die 20 Meter, die es von seinem Getränkestand bis zur nächsten Kurve sind, könne er auch ohne überbrücken. Aber mit Mikro macht es ihm sichtlich mehr Spaß. „Und wieder jemand, der dringend ein kühles Getränk braucht“, ruft der Vorsitzende der Landjugend Bayreuth. „Wir hätten hier ein leckeres, alkoholfreies Bier anzubieten.“ Die Angesprochene lacht, schüttelt den Kopf und läuft weiter.

Raimund steht vor der Brücke zum Hotel am Fichtelsee, wer bei ihm ankommt, hat die halbe Runde um den See schon hinter sich. 185 Läufer haben sich am Sonntagnachmittag auf den Weg gemacht, um mit ihrer Muskelkraft junge Flüchtlinge zu unterstützen. Zusammen liefen sie 1287 Kilometer – fast doppelt so viele, wie die Landjugend gehofft hatte.

Einmal nach Athen und zurück

„Unser Ziel waren 650 Kilometer“, sagt Carolin Dörfler, die Vorsitzende des Landjugend-Bezirksverbands. So lang sei der Weg vom griechischen Thessaloniki an die ungarisch-serbische Grenze, den die Landjugend als Symbol für die vielen verschiedenen Flüchtlingsrouten gewählt habe.

Orgito und Ardean Fizi hatten es deutlich weiter: Der Zwölfjährige und der 36-jährige Freund seines Vaters kommen aus Albanien, beide leben nun in Warmensteinach. „Wir haben beschlossen, zusammen Laufen zu gehen“, sagt Orgito. Das sei spannender als wie immer mit den anderen Fußball zu spielen.

Gerade steht Orgito allerdings nur vor Raimunds Getränkestand herum und versucht, Ardean zum Weiterlaufen zu überreden. Der will lieber die Abkürzung über die Brücke nehmen und Pause machen. „Ach komm“, sagt Orgito, „das macht doch Spaß“. Ardean schnaubt und legt theatralisch die Hand auf seine Lunge. Dann grinst er, spurtet an Orgito vorbei und kurz darauf sind sie hinter der nächsten Kurve verschwunden.

50 Flüchtlinge sind dabei

Rund 50 Flüchtlinge aus Weidenberg, Warmensteinach und Fichtelberg sind zum Lauf gekommen, dazu die Landjugenden aus Bayreuth, Kulmbach, Coburg und Hof. Die dafür notwendigen Bus-Shuttles, die T-Shirts und die Verpflegung hat das Bundesprogramm „Demokratie leben“ finanziert, das die Aktion mit 4000 Euro unterstützt.

Einige der Läufer waren eigentlich nur zufällig am Fichtelsee. Zum Beispiel Familie Pilz aus dem Odenwald, die in Fichtelberg Urlaub macht. „Wir wollten ursprünglich ins Café einkehren“, sagt Maike Pilz. „Aber der Lauf ist ja für einen guten Zweck, also machen wir mit. Auch wenn wir nur spazieren gehen.“ Zwei Runden haben sie schon, eine weitere, sagt Maike Pilz, gehe bestimmt noch.

Viele Flüchtlinge im Landjugend-Alter

Für jeden Kilometer wird nun ein bestimmter Betrag an Bunt statt Braun gespendet. In welcher Höhe, müsse noch mit den Sponsoren verhandelt werden, sagt Carolin Dörfler. „Wir wollten zeigen, dass wir nicht nur Brauchtumspflege machen, sondern auch andere Sachen.“ Und viele Flüchtlinge seien im Landjugend-Alter. „Das Thema ist sehr brisant“, sagt auch Max Raimund. „Um die Wogen zu glätten, ist sowas doch ganz sinnvoll.“

Laufen Sie auch schon für den guten Zweck?“, ruft er kurz darauf einem Mann mit Nordic-Walking-Stöcken zu, der den Berg herunter kommt. „Nein, mir langt’s“, ruft der Mann zurück, dreht um und sagt im Gehen: „Das hier ist eine Schande für Deutschland.“ Am Getränkestand, an dem einige Läufer gerade Pause machen, herrscht schockiertes Schweigen. „Ich weiß nicht, was ich da sagen soll“, sagt Max Raimund. „Wenn er wenigstens hergekommen wäre und was Sinnvolles gesagt hätte, aber so?“

Die Fröhlichkeit, die bisher am Stand herrschte, ist verflogen, keiner weiß so richtig, wie er mit der Situation umgehen soll. Bis ein paar Läufer um die Kurve kommen, die Max Raimund wieder in Form bringen. Er reißt das Mikrofon hoch, fängt an zu grinsen, und ruft: „Aaaah, endlich wieder jemand, der ein gutes, alkoholfreies Bier zu schätzen weiß.“

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