Cartagena - Ja, das mit der ersten Nacht in Cartagena war eine einzige Katastrophe für mich. Irgendwann um 4.30 Uhr sind mir vor Erschöpfung wohl die Augen zugefallen. Eigentlich hätte ich gern länger geschlafen. Nicht etwa, dass um 8 Uhr morgens weiterer Lärm herrschte - die Jugend liegt mittlerweile vollkommen berauscht im Halb-Koma in den Massenunterkünften -, aber ich brauche dringend ein neues Quartier. Und um 12 Uhr muss ich spätestens raus aus dem In-Backpacker-Hostel.

Ich klappere mehr als ein Dutzend Hostels und Hotels ab. Nach zwei Stunden werde ich endlich um die Ecke fündig. Kein großes Schild, nur eine blumenüberwucherte Fassade und eine schwere Holztür mit dem Schild "Boutique Hotel" weisen es als solches aus. Als ich klingle, öffnet mir erstmals ein freundliches Gesicht, wenn es um die Übernachtungsfrage geht. Denn die meisten Leute hinter dem Desk oder an der Tür gucken angesichts der strömenden Massen mit mächtigen Rucksäcken auf dem Buckel ziemlich genervt. Es hagelt eine Absage nach der anderen.

Ich muss angesichts des Wechsels in ein ruhigeres Quartier erneut in den sauren Apfel beißen. 70 Euro pro Nacht, allerdings mit Frühstück. Da ich wirklich keinen Bock mehr habe auf lärmende, gerade dem Teenie-Alter entwachsene junge Leute, die mich bis frühmorgens auf Trab halten (früher war ich ja selbst so eine), willige ich ein. Im malerischen Innenhof habe ich direkt vor meiner Flügeltür einen kleinen Swimmingpool und eine Hängematte. Ich bekomme ein eigenes Bad samt Toilette in einem gut vier Meter hohen Raum, der von Fan und Klimaanlage gekühlt werden kann. Welch ein Luxus! Und die Matratze des Doppelzimmers, das ich allein nutze, ist hart. Wow!

Erkundungstour durch die Stadt

Nach dem Umzug mit Sturmgepäck auf Rücken und vor der Brust lasse ich mich erst einmal durch die rund eine Million Menschen fassende Traum-Stadt treiben. Historie und lebensfrohe Ausgelassenheit feiern hier Hochzeit, paaren sich Romantik, Schönheit, aber auch nicht zu übersehende Armut. Heruntergekommene Gestalten in elender Kleidung ziehen bettelnd durch die schmucken Straßen oder liegen auf einem Stück Pappe schlafend auf dem Gehsteig oder in irgendeiner Ecke, aus der sie nicht vertrieben werden.

Während ich auf dem Schutzwall, den Las Murallas, die die gesamte historische Altstadt mit meterdicken Mauern umziehen, spaziere, gesellt sich ungefragt Vicky aus Bogota zu mir, die sich allein zu unsicher fühlt, hier herumzuschweifen. Dabei fühlt man sich hier wirklich sicher, wohl gemerkt, man habe stets seine sieben Sachen am Körper oder fest in der Hand. Fest im Blick reicht hier nicht aus. Vergesslichkeit, wie bei mir schon zweimal geschehen, schon gar nicht. Nachdem ich Vicky ein paar Mal vor wunderbarer Kulisse mit ihrem Handy abgelichtet habe - sie ist zum wiederholten Male hier -, mache ich mich allein weiter auf den Weg.

Testen von Naturprodukten

Wenn ich Neues zu erkunden habe, brauche ich neben mir kein permanentes Geplappere über Gott und die Welt. In der Stadt findet nicht nur ein internationales Musik-Festival statt, für das die Musiker an den verschiedensten Plätzen bereits öffentlich proben, sondern auch eine Messe von Indios, die eine breite Palette von Schmuck über Schnitzereien bis hin zu Naturprodukten verkaufen. Ich schlage gleich zweimal zu, obwohl ich mir ja geschworen habe, nichts zu kaufen. Schließlich habe ich genug Ballast zu schleppen. Aber die Pomade aus Marihuana, die gegen Kopf- und Rückenschmerzen helfen soll, die mich zuweilen plagen, wandert für 25.000 kolumbianische Pesos in meinen Rucksack. Das sind überschlagen zehn Euro. Ein weiteres Produkt ist ein Pulver aus Muschelkalk, das das Hautbild verfeinern soll, wenn man es mit Limette gemischt eine Stunde lang auf der Haut lässt, ehe man es abwäscht. Für umgerechnet sechs Euro kann ich da nichts falsch machen. Ob es wirkt, werde ich irgendwann mal zu berichten wissen. Nach der ersten Anwendung soviel im voraus: Es fühlt sich zumindest weich und angenehm an. Ich hoffe, mich erkennen noch alle, wenn ich zurückkehre.

Vor den herrlichen Fassaden von Klöstern und auf den verschiedensten Plätzen und unter schattigen Bäumen in den Parks üben die Musiker, umringt von vielen Schaulustigen, die applaudieren. Das Haupteingang, der in die spektakuläre Altstadt führt - momentan ist noch immer überall Weihnachtsbeleuchtung angesagt, die in der Dunkelheit einfach nur fasziniert -, wird dominiert vom Puerta del Reloj - dem Glockenturm. Dahinter liegt ein riesiger Platz, der einst als Sklavenmarkt diente. Liebhaber von Süßigkeiten - da gehöre ich eindeutig dazu - kommen gegenüber des Glockenturms voll auf ihre Kosten. Unter dem Säulengang, dem El Portal de los Dulces, reiht sich Stand an Stand. Hier werden selbstgemachte Pralinen, Plätzchen oder Plompenzieher angeboten. Die weichen Kokos-Bonbons sind ein wahrer Genuss.

Die Gefahren fremder Kost

Zahlreiche Museen - ich besuche das Naval del Caribe, wo man auf die Wurzeln der spanischen Eroberung und letztlich Plünderung stößt - finden sich hier ebenso wie massenhaft kleine Stände, an denen zum Teil mächtig beleibte schwarze Frauen in poppig bunter Tracht frische Früchte lauthals an Mann und Frau zu bringen versuchen. Fotos werden massivst abgelehnt. Es sei denn, man kauft ihnen einen Becher mit Früchten ab. In dem Fall köstliche Mangos, bereits zum zweiten Mal. Ich weiß nicht, wem oder was ich das zu verdanken habe, aber nachdem ich in der Regel nichts darauf gebe, dass man Durchfall bekommt, wenn man sich überwiegend von Straßen-Food ernährt, habe ich nun den Salat. Aber dank der Medikamente, die ich in mächtigem Ausmaß mit mir führe, ist das Abendessen auf jeden Fall gesichert.

Nach dem Abstecher ins Naval del Caribe-Museum, das in einem ehemaligen Krankenhaus untergebracht ist und in dem es angeblich spuken soll, suche ich noch das Museo del Oro Zenu auf, das kostenlosen Eintritt bietet und in dem eine ordentliche Sammlung aus Gold und Töpferwaren der Zenu-Kultur zu sehen ist. Nach 24 Stunden Fähre meine ich zuweilen noch immer, dass der Boden unter mir schwankt. Wir hatten ja beileibe kein ruhiges Fahrwasser.

Getsemani, der Stadtteil, in dem ich wohne, war einstmals ein Rotlichtbezirk, der sich mehr und mehr in den In-Treff aller Backpacker dieser Welt verwandelt hat. Man kann sich hier durchaus wohlfühlen, wenn es nicht gerade auf die Morgenstunden zugeht und Getsemani zu einem Tollhaus mutiert. An jeder Ecke bieten Coctelerias für wenig Geld frisches Ceviche oder Cocktails aus Shrimps und Garnelen an. Die werden in Styroporbechern unterschiedlicher Größe serviert. Möglicherweise hab ich mir da meine Magenverstimmung geholt. Wissen kann man das nie so genau, da ich gern überall mal probiere, was ferne Länder so auf dem Speisezettel haben. Manchmal geht der Schuss halt nach hinten los.

Lebendiges Nachtleben

Sämtliche Bars um mich herum haben bis morgens um 4 Uhr geöffnet. Gut, dass ich in meiner neuen Bleibe nicht allzu viel davon mitkriege. Immer wieder kommen die lärmenden Touri-Busse ums Eck, wo jeder Passagier mit irgendeinem Krach machenden Instrument ausgestattet und zum Mitlärmen aufgefordert wird. Wer's mag. Höhepunkt der Narretei ist gar der polternde Zug der Familie Feuerstein, den ein mächtiger Dinosaurier durch die engen Straßen zieht, die permanent überfüllt sind von hupenden Autos.

Die historische Altstadt hingegen ist ein einziger Augenschmaus. Wohin ich den Blick auch wende, tut sich ein neuerliches Fotomotiv auf. Farbenprächtige Bougainvillea hängen in fetten Trauben von traumhaft schönen Balkonen im Kolonialstil. Viele Gebäude sind bereits renoviert, eine große Zahl steht noch in der Warteschleife. Das Auge kann sich kaum sattsehen an diesem Farbenrausch. Selten habe ich solche prächtige Bauten in einer derartigen Fülle gesehen. Wohl nicht zu Unrecht kann sich Cartagena als die schönste Hauptstadt des südamerikanischen Kontinents brüsten.

Historischer Rückblick

Cartagena wurde 1533 gegründet und avancierte schnell zum wichtigsten Hafen der Spanier an der Karibikküste. Es war quasi das Tor zum Norden des südamerikanischen Kontinents. Hier lagerten die Spanier all die Schätze, die sie den Eingeborenen gestohlen haben, ehe die Galleeren das Raubgut nach Spanien gebracht haben. Nach insgesamt fünf Belagerungen allein im 16. Jahrhundert - die bekannteste war 1586, angeführt von Francis Drake - umschlossen die Spanier Cartagena mit dem mächtigen Schutzwall, den fortan keiner mehr bezwingen konnte. Las Bovedas weist heute noch die 23 Verließe bestens restauriert aus, die Ende des 18. Jahrhunderts in die Wälle hineingebaut wurden. Wer hier alles jämmerlich zu Tode gekommen ist oder ob je einer die qualvolle Folter überlebt hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Heute beherberegen diese tunnelförmigen Einrichtungen mit undurchdringlichen Mauern und Gitterstäben wunderschöne Souvenir-Läden. Außerdem stehen heute in der ganzen Stadt an jeder Ecke große Karren voll saftiger Mangos, Papayas und zuckersüßer Wassermelonen. So etwas bekommt man in unseren Gefilden so gut wie nie. Es sei denn, man greift tief in die Tasche für eine sonnengereifte Flug-Mango. Gleich daneben kämpft der Saft-Mann mit seinem fahrbaren Laden gegen das Hupkonzert der Taxifahrer an. Mit turmhohen Bechern beladen, bahnt sich ein Mann seinen Weg mit dem Bauchladen voller Thermoskannen heißen kolumbianischen Kaffees durch die Menschenmenge. Andere haben Zigaretten im Angebot, kleine Kaugummipäckchen oder einfach nur Wasser. Das sollte man bei seinem Erkundungs-Spaziergang - zuweilen artet dieser, zumindest bei mir, in einen fast 20-Kilometer-Marsch am Tag aus - immer dabei haben. Oder dann halt zugreifen, wenn der Wassermann ums Eck kommt.

Der Parque del Centenario

Ein Treffpunkt für Jung und Alt ist der Parque del Centenario, wo ich gleich von einem prächtigen Iguana, einem gut ein Meter langen Leguan, begrüßt werde. In den Bäumen tummeln sich neben Eichhörnchen, ähnlich wie in deutschen Landen, kleine Totenkopfäffchen oder Baby-Katzen (die allerdings nicht auf den Bäumen!), die an weggeworfenen Maiskolben knabbern, um so über die Runden zu kommen. Daneben stecken kleine schwarze Geier ihre gierigen Köpfe in nicht ganz geleerte Styroporbecher, die im verbrannten Gras vor sich hingammeln.

Auf den Mauern im Park liegen müde Büro-Menschen neben Bettlern, legen Verkäufer im Schatten der Bäume eine kurze Pause ein, um mit Kollegen zu quatschen oder schauen dem Schuhputzer über die Schulter, währenddessen sich ein Passant seine Treter blank wienern lässt. Eine ganz besondere Meile ist auf einer der Parkseiten zu erleben: Hier gibt es jede Menge Bücher - in der Regel sind sie gebraucht - zu kaufen oder auch auszuleihen. An winzigen Tischchen gehen Mädchen, Männer oder Frauen mit Radiergummi und flüssigem, weißen Tintenlöscher zu Werke. Vor den emsigen Radierern liegen die gelösten Aufgaben aus Schul-Arbeitsheften. Mühsam werden alle Lösungen gelöscht, damit sich auch ärmere Familien diese Arbeitsmaterialien kaufen können.

Man könnte Stunden hier zubringen, um dem Treiben zuzuschauen. Geht aber nicht, denn die Zeit drängt angesichts der vielen Sehenswürdigkeiten, die dieses aufregende Cartagena zu bieten hat. Einen Tag lang umrunde ich die komplette Altstadt auf dem mächtigen Bollwerk. Hier haben die Spanier ganze Arbeit geleistet. Oder besser gesagt: unter ihrer Anleitung leisten lassen.

Eine Sehenswürdigkeit nach der nächsten

Ein ebenso beeindruckendes und mächtiges Bauwerk ist das Castillo de San Felipe de Barajas. Es ist die größte Festung, die von den Spanieren in irgendeiner ihrer Kolonien je errichtet wurde. Die Bauarbeiten begannen 1639 - wie mir mein schlauer Lonely Planet verrät - und wurden erst 150 Jahre später abgeschlossen. Die Festung ist niemals eingenommen worden.

Weil ich sämtliche Stadtpläne in dem knapp ein Kilo schweren Lonely Planet nicht mit mir herum schleppen möchte, lass ich mich ganz einfach treiben. Irgendeinen Anhaltspunkt hat man ja auch immer vor Augen. Dass ich dadurch einen mächtigen Umweg in Kauf nehme, stört mich nicht weiter. Mich drängt ja nichts. Essen und Trinken gibt es auf Schritt und Tritt, warten tut auch niemand auf mich. Leo ist stets im Rucksack mit von der Partie. Und mein geliebter Chap in Gedanken und im Herzen sowieso.

In der gesamten Altstadt brennt auch zehn Tage nach Neujahr die gesamte Weihnachtsbeleuchtung. Doch weil die so großartig ist, nimmt man das hier niemandem krumm. Einfach hinsetzen und die traumhafte Kulisse genießen. Es herrscht eine so entspannte Atmosphäre mit angenehmer Musik, die aber in der Regel immer drei Schübe zu laut ist. Pferdekutschen transportieren die Touristen durch die wunderbar lauschige Nacht. In zum Teil unglaublichem Ambiente kann man Cocktails schlürfen, in einfachen Bars ein Bier kippen und feine Snacks naschen oder ein edles Dinner genießen - die Optionen sind schier grenzenlos. Es ist immer wieder faszinierend, man kommt aus dem Staunen nicht heraus.

Ungewohnte Schönheitsideale

Auch was die Schönheit der Menschen hier zum Teil betrifft. Wunderschöne Frauen mit Gesichtern wie geschnitzt laufen auf etwa 15 Zentimeter hohen Hacken - bei den huckeligen Gehsteigen! - und zum Teil recht arroganten Blickes die Straßen entlang. Haare sind hier ebenso wie in Panama scheinbar das Nonplusultra. Die Friseurläden boomen, hier wird geflochten, was das Zeug hält. Obwohl die meisten eine prächtige Mähne haben, reicht das den meisten beileibe nicht aus. Kunsthaar multipliziert das Volumen, ebenso die BHs, die die Damen hier tragen. Üppig werden die Brüste nach oben geschnallt, und drüber gibt ein Hauch von Stoff freizügig Einblick. Auch das Hinterteil wird hier extremst betont. Wer keine massiven Wölbungen aufzuweisen hat - die Schaufensterpuppen gibt es nur mit drallen Backen -, hilft mit einer OP nach oder kauft sich einfach Hosen, die, wie bei Push-up-BHs, den Po betonen.

Eine interessante Begegnung habe ich mit Gerard Van Der Haas, einem Holländer, der seit acht Jahren in Cartagena lebt. Er hat sich in das Land, genauer genommen in die Stadt, verliebt, inzwischen auch in eine Kolumbianerin, mit der er Tisch und Bett teilt. Ein bemerkenswerter Mann, der so alt ist wie ich. Jetzt ist es raus: Seit dem 31. Dezember bin ich 53 Jahre alt. Ich fühl mich aber locker 15 Jahre jünger, manchmal sogar ein bisschen mehr. Zurück zu Gerard: Er gehörte einst zum ganz engen Zirkel rund um die Königs-Familie in Holland, war quasi einer der Behüter auf Schritt und Tritt. Obwohl er da äußerst gut verdient hat, beschließt Gerard eine Veränderung.

Eine Schule für die Armen

Seit zwei Jahren bietet er im "Saint Roque" exzellente indonesische Küche an, zumal seine Mutter Indonesierin ist. Das aber allein macht den sympathischen Holländer nicht aus. Er hat die Foundation La Vecina ins Leben gerufen. Zusammen mit einer Freundin eröffnet der 53-Jährige vor acht Jahren die erste Schule in einem Armenviertel etwa zehn Kilometer vor den Toren der Stadt, zumal er das Elend der Straßenkinder nicht tatenlos mit ansehen will. "Wir hatten gleich so einen enormen Zulauf, dass wir schnell vergrößern mussten", erzählt er mir in einem Gespräch beim Rotwein, nachdem ich das Gado-Gado verspeist habe (Gemüse-Mix mit sehr scharfer Erdnuss-Sauce). Von anfangs 15 Schülern wächst seine kleine Schulgemeinde rasch auf 200 Jungen und Mädchen, die ohne den Holländer und dessen Partnerin wohl wesentlich geringere Chancen auf eine etwas bessere Zukunft hätten.

Natürlich nutzt Gerard seinen guten Einfluss bei Hofe - und nicht nur da. Seine ebenso guten Beziehungen in die Niederlande generell fruchten schnell, und somit kommen mehr und mehr Spendengelder für die Kinder zusammen. Näheres gibt es auf seiner Internet-Seite www.lavecina.org zu erfahren. Übrigens fließen sämtliche Trinkgelder aus seinem Restaurant in die gute Sache. Das ist das schöne am Reisen, dass man wirklich Menschen trifft, die Außergewöhnliches leisten. Gerard gehört dazu.

Die Reise geht weiter

Auch wenn ich gern länger in Cartagena bleiben möchte, steht mir angesichts der hohen Übernachtungspreise eher der Sinn nach Veränderung. Kurzerhand plane ich nach einer Suche über Booking.com, nach Santa Marta zu fahren. Gleich um die Ecke werden Tickets für Busfahrten angeboten. Ich buche fünf Nächte für schlappe 120 Euro - ein Schnäppchen im Vergleich zu meiner jetzigen, naja, schon guten Unterkunft. Für die Busfahrt lege ich 42.000 Pesos hin, etwa 18 Euro. Die Fahrt weiter in den Norden dauert schließlich um die fünf Stunden. Ich entscheide mich für die Tour um 11 Uhr, zumal ich schon ein Quartier gebucht habe. Damit entfällt das lästige Suchen, wenn man erst in der Dunkelheit ankommt. Aber auch bei Sonnenschein ist es kein großer Spaß, nach einer Unterkunft zu suchen, wenn man von der Fahrt schon fix und fertig ist und vollbeladen mit Gepäck eine Absage nach der andern serviert bekommt.

Sehr schwierig gestaltet sich meine Suche nach einem adäquaten Handy. Denn in meines, das ich ja nach wie vor für WhatsApp und Skype nutze, um mit Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben, möchte ich deswegen keine andere Simcard einlegen. Das Angebot erschlägt einen schier. Die Läden quillen über vor Menschen, die ein meist nachgemachtes Smartphone kaufen wollen. Natürlich liegen auch all die alten Modelle herum, die einfach nur das Telefonieren zulassen. Nichts anderes brauche ich. Denn somit kann ich endlich kostengünstig meine Quartiere buchen, ohne dass die Leitung über Deutschland und dann wieder zurück die Kosten in ruinöse Höhen treibt. Stattdessen gönne ich mir lieber mal wieder ein Luxuszimmer. Laut Gerard bekomme ich so ein einfaches Handy am besten im Supermarkt. Er empfiehlt mir das "Blu" inklusive Simcard für 50.000 Pesos. Jetzt habe ich wenigstens einen Anhaltspunkt. Denn ich habe partout keine Lust, mich übers Ohr hauen zu lassen, was hier eindeutig jeder versucht.

Telefonieren für vier Cent

Apropos Handys, Tablets oder Computer: Ob am Straßenrand, in Mini-Shops oder in den Passagen enger Shopping-Center - hier werden alle Geräte in ihre sämtlichen Bestandteile zerlegt. Ob hinterher wieder alles beieinander ist, lässt sich schwer sagen. Aber die Menschen haben zumindest Vertrauen in diese Technik-Operateure. Wer gar kein Geld hat, um sich - wie fast jeder - mit einem Mobilphone auszurüsten, der hat noch eine weitere Option. Für die Geschäftsidee braucht es nicht mehr als einen Stuhl und drei Handys samt einer mobilen Ladestation. Nicht zu vergessen das handgeschriebene Schild: 1 minute 100 Kol. $. Für vier Euro-Cent kann man an diesen Mini-Ständen eine Minute lang telefonieren.

Ein Vergleich: Für 40 Euro-Cent kriege ich 20 Limetten, die ich in meinem Hotel - Küchenbenutzung ausdrücklich erwünscht - mühsam auspresse, um mir die Muschelkalk-Gesichtsmaske auflegen zu können. Naja, die Falten sind noch immer da. Aber es fühlt sich ganz gut an. Den Rest des Limettensafts teile ich zwischen meinem Leichtbier und der großen Wasserflasche auf.

Erstaunt bin ich immer wieder über die Gestaltung der Preise. So zahle ich hier für einen Cocktail, wenn nicht eben Happy Hour ist, ebenso viel wie für die Reinigung eines ganzen Sacks voll Wäsche (14.000 Pesos, knapp sechs Euro). Denn als ich in Cartagena ankomme, habe ich so gut wie kein sauberes Kleidungsstück mehr. Selbst zu waschen, kommt trotz Tuben-Waschmittels im Gepäck für mich angesichts dieser Preisgestaltung nicht in Frage.

Leben und leben lassen. In diesem Sinne wünschen Leo und Peggy eine gute Nacht - buenas noches, hasta pronto.