Kreisheimatpfleger Berthold Just kritisiert wilden Stil-Mix in den Baugebieten Toskana zerstört Franken

Von Ulrike Sommerer

Die Täter, sagt Berthold Just, die Täter sitzen ganz woanders. Die sitzen nicht in den Toskana-Villen, die die fränkische Landschaft wie ein Pilz überwuchern, die sitzen nicht im griechischen Palais und nicht in der Ranch wie aus dem Denver Clan. Die sitzen: im Gemeinderat.

 
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Berthold Just ist selbst so einer, den er Täter nennt. Er ist Gemeinderat in Bindlach. Just ist aber auch Kreisheimatpfleger. Und er ist Architekt. Und hat - in der Summe aller seiner Funktionen -  ein Auge für Baustile in der Region. Manchmal möchte er seine Augen aber lieber verschließen. Dann, wenn er sonntags durch Baugebiete und Siedlungen spaziert, vorbei an architektonischen Haustypen, die so gar nicht nach Franken zu passen scheinen.

Alles nur Theorie

Für neue Baugebiete wird ein Bebauungsplan erstellt. Der regelt, was gebaut werden darf und was nicht. Beispielsweise: nur Holzzäune. Oder: einheitliche Dachfarbe. Oder: nur Satteldächer. Oder: nur Pultdächer. Oder: keine Pultdächer. Soweit die Theorie. Dann kommen Bauwillige und wollen eben doch ein Pultdach bauen oder ein Haus, das anmutet, als komme es aus fernen Ländern. Und jetzt die Praxis: In solchen Fällen wird in der Regel eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes erteilt. Das machen die Gemeinderäte. Die Täter.

„Viele Bauherren wollen einfach nicht so bauen, wie es von der Gemeinde geplant wurde“, erklärt Bernhard Brosig, Verwaltungsleiter in Eckersdorf, diese Entscheidungen, die allerorts getroffen werden. Da Gemeinden ein Interesse daran haben, dass bei ihnen und nicht im Nachbarort gebaut wird, werden Befreiungen vom Bebauungsplan eben schon einmal gerne erteilt. „Man versucht dann für alle Seiten das Beste herauszuholen.“ Brosig kann sich an einen Einwand seitens der Gemeinde erinnern: Da wollte ein Bauherr ein dem Bebauungsplan entsprechend zu steiles Dach auf sein Haus setzen. Jetzt ist das Dach etwas geneigter. Ein Kompromiss. Auch ansonsten versuche man das Beste für alle Seiten herauszuholen. Sprich: Die toskanische Villa für den Bauherren, der neue Einwohner für die Gemeinde. Und Brosig glaubt auch: „Die Zeiten des fränkischen Baustils sind wohl einfach vorbei.“

Genau das findet Just nicht. Und hie und da entdeckt er zwischen all den abenteuerlichen Baustilen noch ein Haus, das im fränkischen Stil gebaut wurde. Beispielsweise das von Ludwig Schilling. Er hat sich ein Haus in der Eckersdorfer Brunnenwiese gebaut hat. Schlicht. Schnörkellos. „Weniger ist da oft mehr“, sagt Just. Und Schilling sagt, er habe sich auch Spott anhören müssen, sähe sein Haus doch so aus wie früher Siedlungshäuser ausgesehen hätten. „Aber genau das wollte ich ja.“ Weniger ist mehr. Auch in der Materialvielfalt. Materialarmut hat früher die Bauweise in der Region ausgezeichnet. Warum müssen es jetzt x verschiedene sein wundert sich Just über Marmorsäulen vor Häusern oder über polierten Granitsäulen als Gartenzaun, der aussieht wie die Ausstellung von Grabplatten. „Früher gab es Standards der Bescheidenheit. Heute muss sich jeder unbedingt von seinem Nachbarn unterscheiden.“ Unvorstellbar, wie manche Bauherrn auf den Putz hauen.

Seit Studententagen Thema

Just beschäftigt sich seit seinen Studententagen mit dem regionaltypischen Bauen. Heute ist er 58 Jahre alt und versteht die Interessen der Gemeinden durchaus. Da wurde Land gekauft, das es wieder zu verkaufen gilt, der demografische Wandel schlägt in nicht wenigen Orten zu. Im Wettbewerb um neue Bürger „können die Gemeinden ihre Bedingungen vielleicht auch nicht ganz so hart stellen.“ Just versteht das. Er versteht aber nicht, dass damit „jeder Unappetitlichkeit der rote Teppich ausgerollt“ wird. Und er sagt auch: Mehr Einwohner sind nicht immer nur gut für eine Gemeinde, braucht es dann doch auch wieder viel Infrastruktur.

Heimat ist zunächst Identität, sagt Just. „Wenn es überall gleich aussieht, was unterscheidet uns dann noch von anderen?“ Das wäre, als ob jeder Franke mit Gamsbart und Lederhose herumlaufen würde. Sich an fränkischer Bauweise zu orientieren hat auch nichts mit altmodisch zu tun, bei einem Neubau lassen sich durchaus auch moderne Elemente integrieren.

Als Kreisheimatpfleger wird Just als „Träger öffentlicher Belange“ gehört, wenn Bebauungspläne erstellt werden. Und er hat festgestellt: Die Abweichungen sind schlimmer geworden. Es gibt jetzt vielleicht nicht mehr Bausünden der Art, wie  es sie in den 1970er Jahren gab, als Mehrfamilienhäuser mit Glasbausteinschlitzen entstanden. Aber jetzt gibt es alles, querbeet. Und das ist nicht schöner. Es gibt auch beim Bauen Modeerscheinungen. Meist werden sie über Zeitschriften verbreitet und internationalisieren den Baustil in einer Region. Das ist dann nicht mehr typisch. Und das ist dann irgendwie auch nicht mehr Heimat. „Warum besinnen sich die Leute nicht? Warum zerstören sie die eigene Identität?“ Just versteht nicht, was er in den Baugebieten sieht.

Garage, Zaun, Einfahrt und Bepflanzung

Zu einem Anwesen, das nach Franken passt, gehört nicht nur das Haus selbst. Auch die Garage (am besten mit Satteldach), der Zaun (Lattenzaun, Lärche, unbehandelt), die Einfahrt (Pflaster, nicht zu viel) und die Bepflanzung (naturnahe Hecken, bitte keine Thujen) gehören dazu. Und Just interessiert nicht nur das einzelne Haus. Ihn interessiert auch die Summe der Häuser, die zum Dorf wird. Über diese kunterbunten Mischungen, die in Neubaugebieten zu finden sind, regt sich Just beinahe noch mehr auf als über das Toskana-Haus an sich. „Dieses Durcheinander! Das ist das Schlimmste.“ Und so findet Just Toskana-Häuser an sich nicht gut, in Gesees gibt es aber eine Ecke, in der gleich mehrere solcher Häuser stehen. Und das ist dann wiederum nicht ganz so schlimm. Überhaupt: Wem der Stil eines Toskana-Hauses gefalle, der könne diesen Typ Haus ja durchaus region-konform bauen. Quadratische Häuser gebe es in unserer Gegend ja, die sogenannten Kaffeemühlenhäuser entstanden in den 1920er Jahren und ähneln im Grunde den Toskana-Häusern - haben allerdings ein Walmdach.

Just geht es nicht um Gleichmacherei. Nicht darum, einen Einheitsbrei zu kochen. „Es geht darum, wieder dort hinzukommen, wo wir begonnen haben. Dass Heimat Identität ist und Dörfer wieder als Dörfer erkennbar sind.“

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