Kolumne Genuss-Sache Gehobene Küche im Hinterhof

Ingmar Volkmann

Die meisten Foodblogger wirken appetithemmend, findet unser Kolumnist – mit einer Ausnahme: Die kocht Miesmuscheln und Lammkarree neben der Tischtennisplatte.

 
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Talentierter Koch mit der Attitude eines Gangster-Rappers: Giuseppe Moi (li.) im Kreise seiner Lieben Foto: Instagram/gio1neun

Alles andere als köstlich: Wenn „Zimtschnecke83“ bei Tiktok ihre veganen Törtchen vorstellt und der Blogger Siegfried Sternesammler seine Haute-Cuisine-Abenteuer auf seinem Blog dokumentiert, dann schalte ich ab. Nicht nur geistig, sondern ganz praktisch.

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Das halbe Internet scheint mittlerweile aus Restaurant-Tipps und Rezepte-Sammlungen zu bestehen. Selbstverständlich schaue auch ich manchmal nach, welche Bœuf-bourguignon-Zubereitung selbst einem Küchenjungen wie mir gelingt. Diese durchgestylten Hochglanz-Foodies an ihren makellosen Küchenblocks im Netz wirken bei mir aber sofort appetithemmend.

Die wenigen Ausnahmen, die online wirklich Spaß machen, stammen aus dem Genre „Pasta Grannies“: Mehr oder weniger schlecht gelaunte italienische Nonnas verraten dabei online ihr bestes Carbonara-Rezept und schimpfen wie ein Rohrspatz, dass man ja nicht den falschen Speck verwendet. Das gefällt mir. Es erinnert mich an zu Hause.

Ebenfalls eine rühmliche Ausnahme im Internet der Köche ist der Berliner Giuseppe Moi. Bei Instagram nennt er sich „gio1neun“. In einem Hinterhof in Charlottenburg bereitet er Miesmuscheln auf dem Grill und Lammkarree neben der Tischtennisplatte zu.

Seine Rezepte rappt er auf dunkle Hip-Hop-Beats, unterbrochen von der subtilen Aufforderung, sein Format zu abonnieren. Seine jungen, zumeist männlichen Gäste verfügen über einen beneidenswerten Appetit und Bartwuchs.

Die Clips von Deutschlands bestem Hinterhofkoch sehen aus wie eine Kreuzung aus der Serie „Four Blocks“ und Haftbefehls neuestem Musikvideo. Die „Zeit“ nennt das „Hood Cuisine“. In einem Umfeld, das manche nach Einbruch der Dunkelheit nicht ohne Personenschutz durchstreifen würde, zeigt Gio, dass Kochen genau zwei Grundzutaten benötigt: Handwerk und Herz.