Er ist in seiner Heimat ein Filmstar. Er studiert an der Uni Bayreuth. Und er ist Bayreuths einziger schwarzer Feuerwehrmann. Dabei war eines der ersten Dinge, die Kolade Igbasan (37) von Deutschland mitbekam, ein Gedicht von Hitler.
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Feuerwehrmänner fand er schon als Kind toll. Doch in Nigeria gibt es nur eine Berufsfeuerwehr. "Es geht nicht nur darum, was die Gesellschaft für mich tun kann", sagt Kolade Igbasan. "Ich habe mich gefragt: Was kann ich hier für die Gesellschaft tun? Ich mag es, Leuten zu helfen und neue Sachen zu lernen. Deshalb wollte ich Feuerwehrmann sein."
Das hat ihm auch geholfen, in Bayreuth heimisch zu werden. "Die Leute halten hier mehr Distanz als daheim", sagt Igbasan, der kaum eine Minute auf dem Campus in der Sonne sitzen kann, ohne Bekannte zu grüßen. Seine Theorie: "Die Leute sind wie das Wetter. Im Winter sind sie kälter, im Sommer wärmer." In Lagos herrschen das ganze Jahr feucht-heiße 27 Grad. "Hier haben sie oft Angst, andere zu verletzen, und halten deshalb Abstand."
Als er neu in der Stadt war, war das hart. Aber auch hier habe ihm die Feuerwehr geholfen: "Der Kommandant hat gesagt: Kola, du machst das schon." Sein größtes Handicap anfangs: Alle sprachen fränkisch. "Aber mein Ausbilder Stephan Hößel hat gesagt: Wenn du etwas nicht verstehst, dann erkläre ich es dir langsam und auf Hochdeutsch. Ohne ihn hätte ich die Ausbildung nicht geschafft", sagt er und geht noch weiter: "Meine erste Familie hier ist die Feuerwehr."
Stephan Hößel, Leiter der Abteilung Freiwilligen Feuerwehr Bayreuth Innere Stadt, sagt: "Er stand auf einmal da und war völlig begeistert, hat gleich die Grundausbildung und den Atemschutzlehrgang absolviert, seine Kleidung mit Stolz getragen, war total zuverlässig."
Damit Igbasan aber einen eigenen Piepser bekommt, muss er noch öfter üben, vor allem die Kommandos, sagt Hößel: "Kola muss im Einsatz alles verstehen, auch wenn es laut ist und schnell gehen muss. Da kann ich ihm nicht einen zweiten Mann an die Hand geben."
Bisher hatte Igbasan erst zwei Einsätze: den einen 2015 beim Bürgerfest. "Da dachten viele Leute erst, ich sei ein Flüchtling." Der zweite war eine Übung bei der BAT. Seitdem geht er ganz anders durch die Stadt. "Ich sehe überall Wasserhydranten", sagt er und lacht. "Das bedeutet: Die Bayreuther sind sicher."
Achtung, was Sie jetzt sehen, hat über Jahre das Deutschland-Bild im Ausland geprägt.
Seine ersten Berührungen mit Deutschland, an die er sich erinnert, waren ungewöhnlich. Die allererste war eine deutsche Sendung, die im nigerianischen Fernsehen lief: Tele Match, eine Fernsehshow aus den 70ern, bei der Städte gegeneinander spielten.
Und noch ein Clip: Menschen, die in Streichholzschachteln tauchen und sich mit Besen von Hutschachteln stoßen - this is Germany!
Der zweite, als er in der Schule ein deutsches Gedicht in englischer Übersetzung auswendig lernen sollte. Der Autor: Adolf Hitler. Mit 13 las er dann noch ein Buch über den Holocaust. Jahre später lernte er von der Wiedervereinigung und war faszinierte, dass nach dem Krieg in Deutschland alles ein gutes Ende nahm.
Er studierte Kommunikationswissenschaft an der Uni Lagos und wollte unbedingt Deutsch lernen. "Ich habe erst einen Monat Privatunterricht genommen und dann mit Kassetten weitergemacht, weil ich mir ihn nicht mehr leisten konnte", sagt er. "Ich habe stundenlang zugehört, das war so musikalisch."
Kein Wunder, Lieder waren ein Hauptbestandteil. "Mein Hut, der hat drei Ecken" und "Heut kommt der Hans zu mir, freut sich die Lies" kann er immer noch auswendig. An der Uni gründete er einen Nigerian German Culture Club, die Nigermans. "Wir haben nigerianische Lieder ins Deutsche übersetzt."
Nach dem Bachelor-Abschluss fand er keine Arbeit. Er unterrichtete Deutsch am Goethe-Institut, jobbte als persönlicher Assistent des Schauspielers und Filmproduzenten Elvon Jarrett, arbeitete schließlich selbst als Schauspieler. In fünf Jahren drehte er 13 "Gospel films". Es geht also um Glaube. "Die Handlung würde in Deutschland nicht funktionieren".
Sekte, Unfall, Wunder, Bekehrung: Hier können Sie in Kolade Igbasans ersten Film reinschauen.
Im ersten, "A change of taste", spielte er 2009 einen jungen Mann mit reichem Vater, der in einer Sekte ist, in die der Sohn eintreten soll. Doch er verunglückt, ändert sein Leben und wird Christ. Der Vater will daraufhin seinen Sohn töten, doch der wird durch ein Wunder gerettet, der Vater ebenfalls Christ. "Das ganze Land hat den Film gesehen", sagt er. Erst auf DVD, dann im Fernsehen.
In seinem letzten Film, "The Ambush" (2013), habe er einen Fiesling gespielt. "Da haben mich Menschen im Bus angesprochen und gesagt: Du bist böse." Nigeria ist die zweitgrößte Filmindustrie der Welt, die größte ist Indien, die drittgrößte die USA: Hollywood, Nollywood, Bollywood.
In seinem bislang letzten Film "The Ambush" spielt Igbasan einen miesen Charakter.
In Bayreuth engagiert sich nicht Igbasan nur bei der Feuerwehr, sondern gelegentlich auch beim Verein Bunt statt Braun. Dort hat er zum Beispiel einen Flüchtling aus Nigeria betreut. "Ich erkläre ihm, wie man hier lebt. Wenn man in einem neuen Land ist, muss man die Regeln lernen."
Dass es ihm wichtig ist, sich einzubringen, habe nichts mit seinem Glauben zu tun, sagt er. "So sind wir Yoruba, das ist unsere Tradition. Der Charakter ist die Schönheit, das heißt in meiner Muttersprache Iwalewa. Der Glaube an das Zusammenleben der Menschen."
Geht alles glatt, wird er nach dem Master noch in Bayreuth promovieren und dann in seine Heimat zurückkehren, wo seine vier Kinder und seinen Partnerin leben. Sein Traum: "Ich will eines Tages bei der UN arbeiten und Menschen in meinem Land helfen."