Kohl trifft Orbán

Archivfoto: Olivier Hoslet/dpa Foto: red

Die politische Botschaft ist in blühende Prosa über einen zufrieden im Rollstuhl in der Frühlingssonne sitzenden Altkanzler verpackt, aber sie hat es in sich. Anlässlich seines 86. Geburtstags am Sonntag (3. April) gewährte Altbundeskanzler Helmut Kohl (86) seinem langjährigen Vertrauten, „Bild“-Herausgeber Kai Diekmann, Zugang zu seiner Terrasse in Ludwigshafen-Oggersheim und zu seinen Gedanken über die Flüchtlingskrise.

 
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Und so beschreibt der Journalist nicht nur ausführlich den nach mehreren Operationen angegriffenen Gesundheitszustand des CDU-Politikers, sondern er transportiert auch eine Nachricht, die man als Kampfansage Kohls an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lesen kann: Kohl wolle sich mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán treffen.

Orbán ist der wohl entschiedenste Gegner Merkels in der europäischen Flüchtlingskrise und für viele Anhänger der Kanzlerin ein politisch Unberührbarer. Schon der Besuch von CSU-Chef Horst Seehofer bei Orbán in Budapest Anfang März hatte für Unruhe im Merkel-Lager gesorgt. Dabei versicherten beide Politiker, sie betrieben mitnichten den Sturz der Kanzlerin.

Nun also Kohl. Zu den Umständen des geplanten Treffens mit Orbán äußert sich der Altkanzler nicht. Es ist zu vermuten, dass der ungarische Premier Kohl in dessen Privathaus in Ludwigshafen-Oggersheim besuchen wird. Dort hatte Kohl, wie er ebenfalls in dem „Bild“-Interview verrät, auch schon den kroatischen Außenminister Miro Kovac empfangen, ebenfalls ein Verfechter einer rigideren Flüchtlingspolitik.

Wie ist das angekündigte Treffen Kohls mit Orbán zu werten? Der Altkanzler ist zwar Privatier, aber gerade in europäischen Fragen noch ein beachteter Richtungsgeber innerhalb der Union. Er schätze Orbán als „Europäer mit Herzblut“. Auch sei er unglücklich über den aktuellen Zustand der europäischen Politik, schüttele nur den Kopf über den Konflikt zwischen CDU und CSU, wird seine Position beschrieben.

In Verbindung mit dem Besuch Orbáns könnten Kohls Zeilen die nach dem jüngsten Brüsseler Flüchtlingsgipfel abgeebbte innerparteiliche Diskussion um Merkel erneut anfachen. Zwar will Kohl den Beitrag als Ausnahme verstanden sehen, lediglich der „Sorge um Europa geschuldet“. Kohl ist jedoch immer noch politischer Profi genug zu wissen, dass er in der Flüchtlingskrise ein zumindest interpretierbares Zeichen setzt.

dpa

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