Klinikum Kulmbach Intensivkapazität erschöpft

Erschreckende Nachrichten aus dem Kulmbacher Klinikum: Die Intensivbetten für Corona-Patienten sind alle belegt. Es mussten bereits sechs Kranke in andere Häuser gebracht werden. Foto: dpa/Henning Kaiser

Immer mehr schwere Verläufe, immer jüngere Patienten: Die Intensivstation am Kulmbacher Klinikum ist voll belegt. Sechs Intensivpatienten mussten schon an andere Krankenhäuser verlegt werden.

 
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Kulmbach - Die Nachrichten sind erschreckend: Mit zehn Patienten auf der Covid-Intensivstation sind die Kapazitäten des Klinikums Kulmbach derzeit ausgeschöpft. Das Haus musste, wie Geschäftsführerin Brigitte Angermann am Donnerstag informierte, schon sechs Patienten in Intensivstationen anderer Krankenhäuser verlegen. Doch das ist längst nicht alles, was Angermann bei der Pressekonferenz des Landkreises über besorgniserregende Veränderungen zu berichten hatte.

Über Wochen habe man nun, nachdem die Folgen der schweren Ausbrüche in drei Kulmbacher Seniorenheimen mit zahlreichen Toten überwunden waren, relativ stabile Covid-Zahlen am Klinikum gehabt. Mit jeweils weniger als 30 stationären Patienten könne man bei einem kurzen Blick eigentlich denken, alles sei soweit in Ordnung, sagte Brigitte Angermann. Doch das Gegenteil sei der Fall: „Seit zwei Wochen beobachten wir eine komplette Veränderung der Einzelfälle. Wir erleben eine dramatische Veränderung der Schwere, aber auch des Alters unserer Covid-Patienten.“

Angermanns Zahlen lassen aufhorchen. Seit dem 1. November 2020 sind im Landkreis Kulmbach 2100 Corona-Infektionen festgestellt worden. 223 dieser Fälle landeten als stationäre Patienten im Kulmbacher Klinikum. Das sind immerhin elf Prozent aller Menschen, die sich infiziert hatten. Von den 223 stationären Patienten wiederum brauchten 34 intensivmedizinische Betreuung. 15 Prozent aller stationär behandelten Corona-Fälle landeten damit auf der Intensivstation.

Das allein klingt schon schlimm genug. Aber Brigitte Angermann hatte noch mehr schwer Verdauliches im Gepäck: Seit 1. März hat das Klinikum Kulmbach 28 neue Covid-Patienten aufgenommen. Sie werden immer jünger. Der jüngste Patient auf der „normalen“ Covid-Station ist gerade 22 Jahre alt, der jüngste auf der Intensivstation 43. Insgesamt haben diese 28 Patienten, die in elf Tagen im Klinikum ankamen, einen Altersdurchschnitt von 58 Jahren. Erschreckend, wie es nach der Aufnahme weiterging: 15 dieser Patienten, mit 54 Prozent mehr als die Hälfte, sind laut Angermann so schwer erkrankt, dass sie intensivpflichtig geworden sind. „Fast alle hatten Pneumonien, und nicht alle haben Vorerkrankungen.“

Die älteren Patienten, die bislang das Bild auf den Covid-Stationen am Klinikum geprägt haben, bleiben aus. Sie sind weitgehend geimpft. Dafür rücken nun jüngere nach – mit Verläufen, die auch die Profis besorgt stimmen. Verantwortlich für die vielen schweren Erkrankungen machen die Ärzte laut Brigitte Angermann die britische Variante des Corona-Virus. Sie macht, wie Landrat Klaus Peter Söllner weiß, im Kulmbacher Land inzwischen 80 Prozent aller Neuinfektionen aus.

Die Lage auf der Intensivstation für Corona-Infizierte habe sich zugespitzt in den vergangenen Tagen, musste Brigitte Angermann berichten. So sehr, dass inzwischen bereits sechs Intensivpatienten aus dem Landkreis in Krankenhäuser nach Bayreuth, Nürnberg, Scheßlitz und Coburg verlegt werden mussten, weil in Kulmbach mit zehn belegten Betten die Kapazitäten voll ausgeschöpft sind. Kulmbach sei derzeit in ganz Nordbayern das Haus, das die drittmeisten Covid-Intensivpatienten behandeln muss.

Zwei Intensivbetten auf der „normalen“ Intensivstation, beide in Einzelzimmern, die durch Schleusen betreten werden können, habe das Haus zwar noch frei. Aber die werden freigehalten für den Fall, dass von der Covid-Station ein Patient schnell Intensivbehandlung benötigt. Das kann laut Brigitte Angermann in kürzester Zeit geschehen. Der Krankheitsverlauf könne sich rasend schnell verschlechtern. „Manchmal dauert es nur ein, zwei Stunden. Wir haben Patienten, die sind noch selbst zu Fuß in die Notaufnahme gekommen und lagen zwei Stunden später schon auf der Intensivstation.“

Dort erst einmal gelandet, bleiben die betroffenen Menschen relativ lang. Covid-Patienten seien in der Regel zwei bis drei Wochen auf der Intensivstation, weiß Brigitte Angermann.

Leicht falle es dem Klinikum Kulmbach nicht, nun bekannt geben zu müssen, dass neue Patienten, die wegen Corona Intensivmedizin brauchen, voraussichtlich ebenfalls verlegt werden müssen. „Natürlich wollen wir unsere Patienten behalten, aber das ist leider nicht immer möglich“, macht die Geschäftsführerin deutlich. „Wir versuchen alles, damit sich die Situation wieder entspannt, aber das ist eben auch abhängig von den Fallzahlen.“

In Anbetracht dieser Entwicklung sei es um so nötiger, nach wie vor vorsichtig zu sein, Abstand zu halten, die Hygieneregeln zu beachten und Masken zu tragen, appellierte Brigitte Angermann an die Bevölkerung. Auch diejenigen, die bereits geimpft sind, sollten sich weiter an den Regeln orientieren.

Die erschreckenden Zahlen aus dem Klinikum, aber auch die nach wie vor hohen Infektionszahlen im Landkreis veranlassten auch den Chef des Krisenstabs im Landratsamt, Oliver Hempfling, zu einem Aufruf an die Bürger. „Wir haben noch Schnupfenzeit. Bei der derzeitigen Lage ist es angezeigt, grippeartige Symptome ernst zu nehmen und sich von einem Arzt checken zu lassen, ob es nicht doch Corona ist.“ Und sollte man einen solchen Verdacht haben, müsse man sich auch entsprechend verhalten, bis klar ist, wie das Ergebnis eines Tests ausgefallen ist. In so einem Fall sei es nötig, Kontakte zu meiden, um nicht im Zweifel noch andere anzustecken.“

Im Gespräch mit der Frankenpost berichtet Hempfling davon, dass es im Landkreis durchaus Fälle gebe, wo jemand ein Testergebnis nicht etwa isoliert zu Hause abwartet, sondern weiter zur Arbeit geht. Selbst Menschen, die Symptome haben, bleiben nicht alle daheim. Wenn sich dann herausstellt, dass es sich um einen Corona-Fall handelt, kann es sein, dass nicht nur weitere Menschen als Kontaktpersonen zu Hause bleiben müssen, sondern auch Personen angesteckt werden. Wie es dann weitergehen kann, hatte zuvor Brigitte Angermann erläutert: Elf Prozent der Covid-Infizierten landen im Klinikum, von denen wiederum mehr als die Hälfte auf der Intensivstation.

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