Klein, aber fein Städtische Wirtschaftsschule ist 100

Leitet seit 2020 die Städtische Wirtschaftsschule: Der gebürtige Ansbacher Jürgen Meier kam nach Stationen in Coburg und Kronach im Jahr 2000 nach Bayreuth. Foto: Gunter Becker Foto:  

Es war am 1. Oktober 1920, als die erste Schulklasse der neu gegründeten Handelsschule zur ersten Unterrichtsstunde antrat. 25 Mädchen und zehn Jungen nahmen auf den Bänken Platz. Corona-bedingt fällt die große Party anlässlich des 100. Geburtstages höchstwahrscheinlich aus.

 
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Bayreuth - Eigentlich ist der Jahrestag schon wenige Monate vorbei. Aber wer feiert in diesen außergewöhnlichen Zeiten schon Geburtstag, selbst wenn es ein runder ist. Wenn er oder sie keine Gäste einladen darf. Dabei hätte es viele Gratulanten zur Geburtstagsfeier der Städtischen Wirtschaftsschule gezogen. Schließlich hat sie einen besonderen Anlass zu feiern: ihren 100 Geburtstag.

Küchengebäude dient als Schulhaus

Es war der 1. Oktober 1920, als die Städtische Handelsschule als zweijährige Lehranstalt ihre Pforten öffnete. 25 Mädchen und zehn Jungen nahmen auf den Schulbänken Platz. Alle einheitlich ausgestattet mit Mützen. Das Schulhaus: das ehemalige Küchengebäude des Neuen Schlosses. Die bayerische Krongutverwaltung hatte das Gebäude am Glasenappweg großzügig überlassen. Trotz heftiger Kritik und Beanstandungen vonseiten des Gesundheitsamtes und der Regierung, wurde der Schulbetrieb als Provisorium genehmigt. Das Provisorium dauerte bis 1938.

Aus Fabrikgebäude wird Schulhaus

Neue Räume – davon träumt auch Schulleiter Jürgen Meier. Denn auch im heutigen Gebäude an der Brandenburger Straße, das ehemals eine Textilfabrik beherbergte, steht nicht alles zum Besten. Nach weiteren Stationen in der Stadt zog die Schule 1982 in die neuen, aufwendig renovierten Räume des „Schiesserhauses“. Doch so manche Erinnerung an die frühere Fabrik sind noch heute vorhanden. Zum Beispiel Säulen mitten in Klassenzimmern. „Die Sanierung des Altbaus war eigentlich beschlossen“, sagt Schulleiter Meier. Die Planungen nahmen Fahrt auf. Bis jemand auf die Idee kam, dass ein Neubau günstiger ausfalle als die Sanierung. „Seitdem sind die Planungen bei null“, sagt Meier. Vielleicht liegt die Zurückhaltung der Stadt auch daran, dass zumindest die bis dato großen Platzprobleme mit dem 2015 eingeweihten Erweiterungsbau weitestgehend gelöst werden konnten.

Schulleiter residiert im Keller

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Räume im Altbau nicht genutzt werden können, obwohl der Bedarf vorhanden ist. Für die Verwaltung zum Beispiel, die sich in den Kellerräumen befindet. So residiert Schulleiter Meier in einem Raum, der nicht nur klein und dunkel ausfällt, sondern auch noch technische Installationen wie den Stromzähler und den Glasfaseranschluss beinhaltet. Vielleicht liege die Zögerlichkeit, was die Sanierung betrifft, auch darin begründet, dass Wirtschaftsschulen wie die seine nur von zwei Prozent der bayerischen Schülerschaft besucht werden, überlegt Meier. In Bayreuth sind es in diesem Schuljahr 146 Schüler und 156 Schülerinnen, die von 24 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden.

Lehrer arbeiten am Limit

Doch nicht nur die räumlichen Probleme beschäftigen den studierten Gymnasiallehrer Meier. Auch die technische Ausstattung bereitet ihm große Sorgen. Vor einem Jahr bereits hätte er im Zuge des Digitalpakts des Bundes für seine Lehrer und Schüler Laptops bestellt. Die Ausschreibung erfolgte europaweit. Der Stadt als Schulträger seien die Hände gebunden. Jetzt, nach einem Jahr, warte man noch immer auf die Geräte, die in Zeiten von Homeschooling nötiger denn je seien. Lehrer und Schüler müssten ihre eigenen Geräte nutzen. Aber nicht alle Schüler seien dafür ausgerüstet. „Wir haben Schüler, die den Unterricht auf ihrem Smartphone verfolgen müssen, weil sie weder Computer noch Laptop besitzen“, sagt Meier. Die Belastung durch den Lockdown sei für alle enorm. „Viele Lehrkräfte arbeiten am Limit. Sieben Tage die Woche sind sie unter anderem mit Unterricht und dessen Vorbereitung beschäftigt.“ Ob die Qualität eines Präsenzunterrichts unter diesen Bedingungen zu erreichen ist? Meier muss nicht lange überlegen. Man werde nichts ungetan lassen, um das zu kompensieren, sagt er. Beispielsweise durch Brückenangebote besonders in den Abschlussklassen. Aber weitere 14 Tage Unterricht im Lockdown, während andere Schulen bereits Wechselunterricht praktizieren dürfen, weil die Inzidenzwerte das zulassen – das sei Wettbewerbsverzerrung.

Kleine, familiäre Schule

Auch wenn die Corona-bedingten Einschränkungen mehr und mehr die Nerven von Lehrern und Schülern strapazieren – den Wechsel an die Städtische Wirtschaftsschule hat Jürgen Meier nie bereut. Nach dem Studium in Erlangen (Sport und Wirtschaft) und dem Referendariat in Kronach und Coburg hat er die Chance ergriffen und sich auf die ausgeschriebene Stelle beworben. Im Jahr 2000 trat er seine neue Stelle in Bayreuth an. „Ich wollte immer in einer kleinen, familiären Schule unterrichten, wo jeder jeden kennt, die Dienstwege kurz sind und das Vertrauensverhältnis im Lehrerkollegium groß. Genau das habe ich hier vorgefunden“, sagt Meier. Als nach 20 Jahren die Stelle des Schulleiters neu vergeben wurde, hat er sich beworben und die Jury überzeugt. Und dann kam Corona.

Ein Schüler erinnert sich

Christian Wedlich denkt gerne an die Zeit in der Städtischen Wirtschaftsschule zurück. Nach einer „verhauten Lateinklausur“ am Richard-Wagner-Gymnasium legten ihm die Lehrer einen Schulwechsel nahe. Im laufenden Schuljahr 1980 wechselte er zur Wirtschaftsschule, die damals im Sportzentrum untergebracht war, und sollte es nicht bereuen. „Ich verbinde sehr gute Erinnerungen mit der Schule. Die Lehrer waren alle sehr geduldig, aber auch streng und durchsetzungsstark“, sagt Wedlich. Lieblingsfächer hatte er auch: „Stenografie und Maschinenschreiben sowie Sport, da war ich fit und flink.“ Besonders das Maschinenschreiben sei ihm geblieben. „Das war das Sinnvollste, was mir geblieben ist“, sagt Wedlich. Bestens vorbereitet habe er nach der Schule eine Ausbildung zum Speditionskaufmann begonnen, die aufgrund des Abschlusses an der Wirtschaftsschule auf zwei Jahre verkürzt wurde.

Was ihm von der Schule noch geblieben ist: Seine Frau, die er dort kennenlernte, und ein Stammtisch. „Während der neunten Klasse ist ein Stammtisch entstanden, dessen Kern von etwa acht Mitschülern sich seit 35 Jahren bis heute regelmäßig trifft“, sagt Wedlich. Die Städtische Wirtschaftsschule könne er nur wärmstens empfehlen. „Sie bietet ein sehr hohes Niveau, so dass Unternehmen aufgrund der guten wirtschaftlichen Ausbildung gerne Absolventen anstellen.“

Ein weiteres Zeichen seiner Zufriedenheit mit der Schule: Auch Tochter Teresa besuchte die Schule. Und hat es nicht bereut.

Die Umzugsschule

Die Städtische Wirtschaftsschule dürfte öfters als alle anderen Schulen Bayreuths ihr Domizil gewechselt haben. Im „Provisorium“ Küchengebäude des Neuen Schlosses wurde bis 1938 unterrichtet. Dann erfolgte der Umzug ins Künsbergpalais an der Friedrichstraße, das am 8. April 1945 von einer Bombe teilweise zerstört wurde. In den nutzbaren Räumen wurde bis 1973 unterrichtet. 1973 zog die Schule zusammen mit dem Wirtschaftswissenschaftlichen Gymnasium in einen Neubau am Sportpark. 1982 musste sie aus Platzmangel ausziehen. Neues und letztes Domizil wurde das Schiesserhaus.

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