Kläger kann sich nicht mehr erinnern

Von Stephan Herbert Fuchs
Eingestellt wurde das Verfahren gegen einen Berufskraftfahrer. Der Mann konnte vor Gericht glaubhaft belegen, dass er aus gutem Grunde auf der Autobahn rechts überholen musste. Foto: Daniel Karmann/dpa Foto: red

Auf der Autobahn rechts zu überholen kann nicht nur lebensgefährlich sein, es ist auch strafbar. Wenn das Verfahren gegen einen 48-jährigen Berufskraftfahrer aus dem Raum Fürth vor dem Kulmbacher Amtsgericht trotzdem eingestellt wurde, dann hat dies gute Gründe.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Genau genommen sind es zwei: Zum einen konnte sich der Anzeigeerstatter, ein 53-jähriger Kfz-Mechaniker aus Gunzenhausen, nach mehreren schweren Operationen nicht mehr so recht an das Geschehen erinnern, zum anderen konnte der Angeklagte dem Gericht plausibel machen, dass ihm gar nichts anderes übrig geblieben war als rechts zu überholen, sonst hätte es gekracht.

Zu dem Vorfall auf der A 9 in Höhe Himmelkron in Fahrtrichtung Nürnberg war es am 8. November des vergangenen Jahres gekommen. Ohne zwingenden Grund soll der 53-Jährige mit seinem Pkw plötzlich von der rechten auf die mittlere Spur gezogen sein. Angeblich nur zehn Meter vor dem Angeklagten, der mit 150 Stundenkilometer unterwegs war. „Es war völlig unmöglich zu bremsen“, sagte der Angeklagte, der auf 16 Jahre unfallfreies Fahren mit dem Lkw für eine Spedition und auf rund zwei Millionen gefahrene Kilometer verwies. Da habe er das Fahrzeug nach rechts gerissen, um einen Unfall zu vermeiden. Der Angeklagte räumte auch ein, danach wieder auf die mittlere Spur gewechselt zu sein, einfach um ein Auffahren auf die Autos vor ihm zu vermeiden.

Mit dem Handy fotografiert

„Mir ist das Herz in die Hose gerutscht“, sagte der Angeklagte. Als der 53-Jährige später an ihm vorbeizog, „als wäre nichts gewesen“, habe seine Frau mit dem Mobiltelefon sogar zwei Fotos gemacht, die der Mann dem Gericht vorlegte. Dann seien beide auf den nächsten Parkplatz gefahren und hätten erst einmal durchgeatmet. „Das Ganze war ein einziges Reagieren“, sagte der Mann zu seiner Verteidigung. Er hegte den Verdacht, dass der 53-Jährige nur deshalb Anzeige erstattete, um einer Anzeige durch den Angeklagten zuvorzukommen. Das habe er aber nicht gemacht. „Als Berufskraftfahrer könnte ich da jede Woche einen anzeigen“, erklärte er. Da habe er doch lieber seine Ruhe.

Kläger kann sich nicht mehr erinnern

Für eine faustdicke Überraschung sorgte dann im Gerichtssaal der 53-Jährige, der eigens für die Verhandlung aus Gunzenhausen angereist war. Er habe in der Zwischenzeit zwei schwere Operationen über sich ergehen lassen müssen, da habe sein Erinnerungsvermögen stark gelitten, er habe schlicht und einfach einiges vergessen, sagte der Mann. Von einer Gefahrensituation auf der Autobahn vor gut einem Jahr wusste er zwar noch, an Details konnte er sich aber nicht mehr erinnern. Das, was er damals bei der Polizei ausgesagt habe, sei natürlich richtig gewesen, so der Zeuge. Weil in einer Hauptverhandlung in einem Strafverfahren das Prinzip der Mündlichkeit gilt, konnte das Gericht damit aber nichts anfangen. Es hätte dazu erst umständlich den damals vernehmenden Polizeibeamten laden müssen. Allerdings verwies auch der Zeuge auf 35 Jahre unfallfreies Fahren. Das er etwas übersehen haben könnte, das wollte der Mann nicht wahrhaben.

Verfahren eingestellt

Vor dieser Sachlage einigten sich Verteidiger Frank Vales aus Fürth, die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und Richterin Sieglinde Tettmann schnell darauf, das Verfahren ohne Auflagen einzustellen. Vielleicht wäre es sogar ein Freispruch geworden, sagte die Richterin, doch dazu hätte man den Polizisten laden müssen, was das Verfahren unnötig in die Länge gezogen hätte. Auch mit der Einstellung ist die Sache vom Tisch. Sämtliche Kosten gehen zu Lasten der Staatskasse.

Bilder