Kinder gefährdet: Mehr Kontrollbesuche

Von Elmar Schatz
Weil es mehr Hinweise auf gefährdete Kinder gibt, kontrollieren die Jugendämter häufiger. Foto: Patrick Pleul/dpa Foto: red

Jugendämter werden immer häufiger alarmiert, weil der Verdacht besteht, dass Kinder misshandelt, missbraucht oder vernachlässigt werden. Wie sieht es in Bayreuth aus?

 
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Rund 129 000 solcher Verfahren wurden im vergangenen Jahr 2015 bundesweit gezählt. Das waren 4,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag mitteilte. Die Zahlen werden seit 2012 erhoben und sind seither von Jahr zu Jahr gestiegen.

Das Stadtjugendamt Bayreuth hingegen registriert seit Jahren eine stabile Zahl von 80 bis 100 Kontrollen im Jahr aufgrund von Gefährdungsmitteilungen in Sachen Kindeswohl, teilt der Pressesprecher der Stadt, Joachim Oppold, auf Anfrage mit.

Auch in diesem Jahr gebe es laut Jugendamt bislang keine Anzeichen dafür, dass hier mit einem Anstieg im größeren Stil zu rechnen wäre. Die Kontrollen würden vom Jugendamt grundsätzlich mit zwei Mitarbeitern – nach dem Vieraugenprinzip – vorgenommen.

„Die den Kontrollbesuchen des Jugendamtes vorausgehenden Gefährdungsmitteilungen kommen vor allem aus den Bereichen Schulen, Krankenhäuser, Kinderbetreuungseinrichtungen, Nachbarschaft und Verwandtschaft“, erklärt Oppold.

Die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, Cordula Lasner-Tietze, erklärt den bundesweiten Anstieg der Zahlen so: „Die betroffenen Kinder rücken aus dem Dunkel- ins Hellfeld.“

Die Geschäftsführerin der Bundeskonferenz für Erziehungsfragen (bke), Silke Naudiet, sagt: „Die Sensibilität ist höher: bei Nachbarn, bei nicht-professionellen Bezugspersonen, aber auch bei Lehrern und Erziehern.“

Ob wirklich mehr Kinder in Gefahr seien, lasse sich nur schwer sagen. Allerdings: „Die Schere zwischen den Kindern, die in schwierigen Bedingungen leben, und denen, die sehr gut behütet aufwachsen, geht auseinander.“

Rund 20 800-mal akute Kindeswohlgefährdung

Eine akute Kindeswohlgefährdung stellten die Jugendämter rund 20 800-mal fest. Das waren 11,7 Prozent mehr als 2014. In knapp 24 200 Verfahren konnte eine Gefährdung der Jungen und Mädchen nicht ausgeschlossen werden; ihr Wohl war latent gefährdet (plus 7,9 Prozent).

Fast zwei Drittel der Kinder, deren Wohl akut oder latent gefährdet war, wiesen Zeichen von Vernachlässigung auf (63,7 Prozent). In mehr als jedem vierten Fall (27 Prozent) deutete alles auf psychische Misshandlung hin. Etwas weniger oft (23,1 Prozent) war nach Einschätzung der Fachleute körperliche Misshandlung im Spiel. Zeichen für sexuelle Gewalt wurden in 4,4 Prozent der Fälle ausgemacht.

Viele Eltern wegen eigener Probleme überfordert

In rund 43 200 weiteren Fällen (plus 4,0 Prozent) kamen die Jugendämter zu dem Ergebnis, dass das Wohl der Kinder zwar nicht in Gefahr war, die Familien aber Unterstützung brauchten. In so mancher Familie seien Eltern überfordert und durch ihre eigenen Probleme abgelenkt, sagte Naudiet.

In fast genauso vielen Fällen (41 300) gaben die Experten Entwarnung: Sie stellten weder eine Gefahr noch einen Bedarf an Hilfe fest (minus 1,0 Prozent).

Polizei, Gerichte und Staatsanwaltschaft machten das Jugendamt am häufigsten auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung aufmerksam (21,7 Prozent). Gut jeder zehnte Tipp war anonym.

Die Jugendämter überprüften etwa gleich oft das Wohl von Jungen und Mädchen. Fast jedes vierte Kind (23,4 Prozent) war jünger als drei Jahre. Mit zunehmendem Alter nehmen die Verfahren ab: 14- bis 17-Jährige machten nur 16,8 Prozent aus.

Anstieg "erschreckend"

Der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU, Marcus Weinberg (CDU), erklärte, der Anstieg der im Jahr 2015 von Jugendämtern betriebenen Verfahren sei erschreckend. Alarmierend sei vor allem die Zunahme von 11,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Fragwürdig sei, warum in Fällen, in denen keine Kindeswohlgefährdung festgestellt worden sei, trotzdem über 1600 Kinder aus den Familien genommen worden seien.

Auffallend sei auch die geringe Kontrolle der jugendamtlichen Entscheidungen durch die Familiengerichte. So hätten Jugendämter in insgesamt 129 485 Fällen nur 10 504-mal die Familiengerichte angerufen.                                                Mit Material von dpa/kna

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