Kevin Kühnert in Tröstau Auf kurzer Distanz zwischen zwei Welten

Wolfgang Neidhardt
Kevin Kühnert liebt das Diskutieren. Foto: /Wolfgang Neidhardt

Kevin Kühnert erklärt in Tröstau den Erfolg der SPD, schildert seine Arbeit, seine Auftritte in Talkshows und seine Zuneigung zum Freistaat Bayern.

 
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„Ich bin gerne hier in Bayern.“ Das betont Kevin Kühnert, der Generalsekretär der SPD, bei seinem Besuch am Ascher-Donnerstag in Tröstau. Auch im Fichtelgebirge war er schon, der frühere Kreisläufer im Handball beim VfL Lichtenrade, zum Wandern auf dem Ochsenkopf, als er sich im September vergangenen Jahres von Reportern der „Bunten“ begleiten ließ. Und wenn der 33-Jährige Urlaub macht, dann zieht es ihn eher in den Süden des Landes als etwa an die Ostsee.

Nun hat es ihn wieder hierhergezogen, auf Einladung des SPD-Ortsvereins Tröstau. „Und das ist eine glückliche Fügung.“ Hier, im Golfhotel Fahrenbach, endet seine Rundreise. Nach dem Auftritt am Dienstag in der Talkshow von Markus Lanz reiste er „natürlich mit dem Zug, weil ich das gerne tue. Geflogen bin ich fast schon ein Jahr nicht“, nach Nürnberg, von dort zum politischen Aschermittwoch nach Wassertrüdingen. Dort sprach er vor über 300 Leuten, und auch in Tröstau sind es wohl gut 200 Zuhörer, die seinen Worten lauschen.

Kür und Pflicht zugleich

„Ich mag solche Auftritte oder etwa Bierzelt-Versammlungen, weil sie formlos und direkt sind. Für den Berliner sind sie Kür und Pflicht zugleich“, wie er betont. Der SPD-Generalsekretär spricht gerne, viel und schnell – und er will aufklären über die von ihm geführte SPD und deren Ansicht und Beitrag zur Bundes- und Weltpolitik. Er leistet dies hier – oder via Bildschirm in die deutschen Wohnzimmer. Die Talkshows sind das Podium geworden.

„Als Generalsekretär bin ich für alles zuständig. Und da gibt es natürlich nicht nur Schönwetter-Sendungen.“ Gerade deshalb ist ihm die Sendung von Markus Lanz die liebste, „wenn ich hier etwas beitragen kann“. Weil der Moderator in den vergangenen Jahren – wie vielleicht auch Kühnert selbst – reifer geworden ist, weil er durchaus auch hart und nicht parteilich ist, weil es im Gegensatz zu Anne Will mit langen Statements hier Schlag auf Schlag geht – und weil das Publikum fehlt.

Darauf zu verzichten, hat das Team von Markus Lanz nach der Pandemie beschlossen. Und Politiker wie Kühnert schätzen dies: „Ohne Publikum argumentiert man anders. Beifall heischen – das ist guten Argumenten nicht förderlich.“

Kühnert liebt das Diskutieren

Der SPD-Mann liebt das Diskutieren: „In einem Gespräch mit Christian Lindner über Finanzpolitik ginge es ordentlich zur Sache.“ Und er schätzt in gewisser Weise und trotz aller fundamentalen Gegensätze in der politischen Meinung „rein handwerklich“ den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, mit dem er fast noch nie länger direkt zusammengetroffen ist. Nur einmal gab es ein Fernduell beim politischen Gillamoos-Fest: „Es macht Spaß, ihm zuzuhören und noch viel mehr Spaß, ihn zu widerlegen.“

Kühnert macht es sichtlich Spaß, zu argumentieren. Und so erklärt er auch den Erfolg seiner Partei bei der jüngsten Bundestagswahl: „Wir haben gezeigt: Wir können erfolgreich sein. Es ist keineswegs alles super. Und wir haben auch innerlich sicher manchmal gezweifelt. Aber wir sind mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein aufgetreten und haben einfach mal nicht gestritten.“

Die SPD sei eine vielfältige Partei: „Die Spitze muss eine Vielfalt abgeben, sich mit Kritik auseinandersetzen und einen gemeinsamen Weg finden.“ Wie der aussieht in der Regierung, das schildert er bei seiner Rede im Tröstau.

80 Prozent hinter der Bühne

Was dahintersteckt an Arbeit, das berichtet Kühnert im Vorgespräch vor dem Auftritt im Saal. „Wenn nicht gerade Sitzungswoche ist oder ich bei bis zu fünf Terminen unterwegs bin, dann spielt sich die Arbeit im Büro ab: 80 Prozent findet hinter der Bühne statt.“ Generalsekretär sei er praktisch 24 Stunden am Tag. Der Wahlkreis in Berlin, in dem er bei der jüngsten Bundestagswahl das Direktmandat hauchdünn gegen die Grünen-Politikerin Renate Künast gewonnen hat, „liegt nur drei S-Bahn-Stationen weiter“. So bewegt sich Kühnert auf kurzer Distanz zwischen zwei Welten. Und weil er die Stadt gut kennt, bricht der frühere Bezirkspolitiker auch eine Lanze für seine Heimatstadt: „Hier ist nicht nur Chaos. Das öffentliche Bild ist eine groteske Verzerrung. Hier geschieht auch viel Richtiges, und hier gibt es das größte Wirtschaftswachstum.“ Für die künftige Regierungsbildung will er aber keine Wette abgeben.

In seinen beiden Tätigkeiten als Abgeordneter und Generalsekretär unterstützen ihn fünf und sieben Mitarbeiter. Die können aber eines nicht ersetzen: „Viel lesen, selbst denken, agil im Kopf und mit Herzblut dabei sein. Das ist hier kein normaler Job.“

Kühnerts Perspektive ist klar: Erstes Ziel ist, als Generalsekretär die SPD weiterhin auf Erfolgskurs in Richtung Bundestagswahl zu halten. Eine andere Aufgabe – etwa die Leitung eines Ministeriums – interessiert ihn nicht. Auch wenn ihm das Holger Grießhammer, Landtagskandidat der SPD, am Ende der Veranstaltung, augenzwinkernd anträgt: „Wer hier aufgetreten ist, ist anschließend immer was geworden.“ Anke Rehlinger etwa wurde Ministerpräsidentin im Saarland. Kühnert kontert: „Das will ich aber doch nicht werden.“

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