Ersatzdroge nicht in jedem Fall vorgeschrieben
Sie betonte, das Urteil zeige auch, dass die Methadon-Vergabe eine ärztliche Entscheidung bleibe, die auf Basis der Richtlinien der Bundesärztekammer erfolgen könne. Anstaltsärzten werde dabei ein Spielraum bei der Wahl der Behandlungsmethode gegeben. Nicht in jedem Fall sei eine Ersatzdroge vorgeschrieben.
Mehrere Entzüge gescheitert
Bei der Bewertung des Falls spielte eine Rolle, dass der Mann schon seit mehr als vier Jahrzehnten heroinabhängig ist und mehrere Male vergeblich versucht hatte, von der Droge loszukommen. Vor seiner Haft war er von 1991 bis 2008 in einem Methadon-Programm. Auch nach der Entlassung verschrieb ihm ein Arzt wieder eine Ersatzbehandlung.
Während des Entzugs konsumiert
Der Mann war 2009 wegen Drogenhandels zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. In dieser Zeit wurde er in eine Klinik zum «kalten Entzug» verlegt. Weil er heimlich Methadon konsumierte, musste er 2010 zurück in die JVA. Im Gefängnis bekam er Medikamente gegen seine chronischen Schmerzen. Eine Heroin-Ersatzbehandlung hielten die Behörden für nicht notwendig, sie schade auch der Rehabilitation.
Dem Urteil zufolge deutet vieles darauf hin, dass eine Substitution erforderlich gewesen wäre. Eine Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums komme zu dem Schluss, dass für Abhängige die Behandlung mit einem Ersatzstoff die bestmögliche Therapie sei. Die Richter betonen, dass Gefangene medizinisch nicht schlechter versorgt werden dürften als Menschen in Freiheit.
35 von 11.000 Gefangenen bekommen Ersatzbehandlung
Nach Auskunft des bayerischen Justizministeriums bekamen zum letzten Stichtag am 31. März lediglich 35 der insgesamt rund 11 000 Gefangenen eine Ersatzbehandlung. Laut Ministerium gab es in Bayern Ende März 769 heroinabhängige Gefangene und Sicherungsverwahrte. Die DGS geht dagegen von 2200 bis 3300 Heroinabhängigen in den bayerischen Gefängnissen aus.
Mehr als 40 Prozent der Häftlinge abhängig
Aus Nordrhein-Westfalen hieß es, man nehme das Straßburger Urteil zur Kenntnis. «Wir substituieren in unseren Haftanstalten bereits viel mit Methadon», sagte ein Sprecher des Justizministeriums in Düsseldorf. Von den 16.200 Häftlingen in NRW-Gefängnissen seien mehr als 40 Prozent abhängig - etwa von Alkohol oder Tabletten, Cannabis oder Opiaten. Als heroinabhängig gelten etwa 3200 Häftlinge, von denen 1400 Methadon erhalten. Auch aus anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Niedersachsen oder Hessen hieß es, man sehe sich in der bisherigen Praxis bestätigt.
Nach Zahlen der DGS bekommen in Nordrhein-Westfalen zehn Prozent aller Häftlinge eine Ersatzbehandlung, in Berlin vier Prozent. In Bayern seien es zuletzt nur 0,4 Prozent gewesen. Im Juli waren in einem Würzburger Gefängnis knapp 50 vornehmlich drogenabhängige Häftlinge in Hungerstreik getreten, um unter anderem eine Methadon-Behandlung zu erzwingen.
dpa