"Katastrophenschutzvollübung" im Landkreis Ausnahmezustand in Haidenaab

Von Andreas Gewinner
Foto: Harbach Foto: red

Rund 500 Rettungskräfte haben am Samstag einen Katastropheneinsatz geübt. Kurier-Reporter Andreas Gewinner war dabei. Das Protokoll einer simulierten Katastrophe.

 
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13.55 Uhr. Bahnhof Haidenaab: Ein Tankwagen hängt in der Böschung, steht fast auf dem Gleis. Daneben ein Zug mit Güterwagen, aus dem giftiger Dampf quillt. Ein Stück weiter ein Personenzug, Menschen liegen im Gleisbett.

Vier Feuerwehrleute von der Ortswehr Haidenaab-Göppmannsbühl wohnen direkt am Bahnhof, treffen als Erste am Unglücksort ein. Sie kommen nicht weit: Im Chlorgasnebel brechen sie ohnmächtig zusammen. „Super-GAU 2014“, die Katastrophenschutzvollübung des Landkreises, läuft an.

Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis die ersten Rettungskräfte eintreffen. Die „Verletzten“ rufen mal um Hilfe, mal vertreiben sie sich die Zeit mit Scherzen. Christian Porsch ist einer der Akteure. Der Kreisjugendringvorsitzende ist im Szenario ein Lehrer, dessen Schüler in dem Personenzug saßen, der mit dem Güterzug kollidiert ist. Sein Vater, der Speichersdorfer Bürgermeister Manfred Porsch, kämpft sich gerade die Böschung hoch aufs Gleisbett, macht schnell ein Foto von den „Verletzten“. Die Chance, dass an diesem Samstag wegen Bauarbeiten der Bahnverkehr unterbrochen ist, hat man genutzt, ein Zugunglück zu üben. Die letzte ähnlich große Übung – damals war es ein angenommener Flugzeugabsturz bei Goldkronach – liegt schon rund vier Jahre zurück.

14.30 Uhr. Die Funkgeräte und Alarmwecker der bereits eingetroffenen Rettungskräfte erwachen zum Leben. Die Einsatzleitung hat nach einem ersten Überblick nachalarmiert, das heißt, weitere Feuerwehren werden angefordert. Vor allem Chemieschutzanzugträger werden gebraucht und Spezialisten für den Umgang mit giftigen Stoffen. Die Verletzten liegen noch immer im Gleisbett. Doch es hilft nichts: Helfer, die sich ins Verderben stürzen wie die wagemutigen Männer aus Haidenaab-Göppmannsbühl helfen niemandem. Sicherheit geht vor Schnelligkeit.

Feuerwehrleute markieren mit rotweißem Flatterband eine Sperrzone, auch die zahlreichen Schaulustigen müssen sich zurückziehen.

14.50 Uhr. Die ersten Atemschutzgeräteträger tauchen auf, heben flache Wagen auf die Gleise, beginnen die Verletzten im Gleisbett einzusammeln. Schwerstarbeit im Sonnenschein und bei fast spätsommerlichen Temperaturen. Die Gesichter der Männer zeichnen sich rot hinter dem Maskenfenster ab, der Sauerstoff rauscht gleichmäßig aus den Flaschen. Inzwischen sind die ersten CSA-Träger in ihren giftgrünen Chemieschutzanzügen eingetroffen, Wesen wie aus einem Science Fiction-Film.

15.45 Uhr. Die Einsatzzentrale ist auf einem Bauernhof auf der anderen Seite der Bahnstrecke aufgebaut. Feuerwehr, Rotes Kreuz, THW, Polizei und Bahn, rund 50 Leute koordinieren von hier aus den Einsatz. Kreisbrandrat Hermann Schreck bittet zur Einsatzbesprechung. Die Abschnittsleiter erstatten Bericht. Einer berichtet von Problemen bei den CSA-Trägern: „Wir sind da oben ausgebrannt, es fehlt Wasser, die Leute kippen mir um.“ Er bekommt die beruhigende Nachricht, dass der Löschzug Bad Berneck eingetroffen ist, der ebenfalls über CSA-Träger verfügt.

16.30 Uhr. Auf einem Wendeplatz neben dem Bahnhof ist eine Sammelstelle für die Verletzten eingerichtet. Sanitäterinnen verbinden die aufgeschminkten Verletzungen, legen den Verwundeten Decken um. Direkt daneben ist einer von zwei Dekontaminierungsplätzen eingerichtet. Bunte Planen liegen auf dem Boden, die giftgrünen CSA-Träger steigen in eine provisorische Wasserwanne, wo sie mit Wasser abgespritzt werden. Immer noch treffen gerade erst geborgene Verletzte ein.

17 Uhr. Ernst Messingschlager beobachtet aufmerksam die Arbeit zweier CSA-Träger. Der Kreisbrandmeister aus dem Kreis Forchheim ist einer von mehreren auswärtigen Übungsbeoachtern, die teils sogar aus Mittelfranken kommen und die Arbeit der Retter bewerten sollen. Sein vorläufiges Urteil: „Insgesamt gut gemacht. Aber ein Thema ist die Zeitproblematik. Da muss man schauen, ob man noch was optimieren kann, etwa durch eine bessere Erkundung der Lage.“

18 Uhr. Übungsende wird ausgerufen. Von den angenommenen 33 Opfern sind zwölf tot, 21 wurden vom BRK versorgt. Insgesamt waren fast 500 Menschen im Einsatz, darunter 284 Feuerwehrler, 150 vom BRK und 40 vom THW.

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