Karl Dersch übernimmt Antiquariat von Walter Bösch – Bewusster Verzicht auf das Internet 14 000 Bücher erzählen Geschichte und Geschichten

Von Peter Engelbrecht
Antiquaritat Walter Bösch, Karl Dersch am 15.05.2014. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Er war Kunde der ersten Stunde, jetzt ist er der Chef: Karl Dersch hat vor kurzem das Antiquariat von Walter Bösch übernommen. „Damit erfüllte sich ein langgehegter Wunsch“, freut sich der 67-jährige Rentner.

 
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Bösch war mit Leib und Seele Antiquar, doch nach 25 Jahren hört der 75-Jährige aus Altersgründen auf. Nun hat er mehr Zeit für Reisen, zum Radfahren und für Ausflüge in die Fränkische Schweiz. „Es wird sich nicht viel ändern“, verspricht der neue Chef, der Name und die Öffnungszeiten bleiben. Auch das Angebot mit den Schwerpunkten Festspiele und Wagner sowie Orts- und Heimatkunde soll bleiben.

Mit 21 Jahren verschlug es den gebürtigen Münchner Karl Dersch beruflich nach Bayreuth. Zuletzt arbeitete er als Produktionsleiter und Einkäufer bei der Pilzkonservenfabrik Alber in Marktschorgast. Jetzt geht es nicht mehr um Pilze, sondern um Bücher. Rund 14 000 sind es, die wohlgeordnet in den Regalen stehen. Allein der Bereich Oberpfalz-Franken-Bayreuth umfasst die stolze Länge von zwölf Metern. Dazu gehören das Einwohnerbuch der Stadt Bayreuth aus 1959 und der „Oberfränkische Sagenschatz“. Sie stehen im Schaufenster und signalisieren den Schwerpunkt Heimatliteratur. Originell ist ein Handarbeitsbuch der Bayreuther Brauertochter Anna Nützel aus der Bahnhofstraße, das Strickmuster enthält. Das Büchlein wurde von dem Mädchen vor dem Ersten Weltkrieg in deutscher Schrift liebevoll gestaltet.

Dersch will sich „ein bisschen einarbeiten“, Bösch hilft ihm dabei. „Selbstbedienung spielt eine große Rolle“, erzählt Bösch. Die Leute wollen sich selbst umschauen, Bücher aussuchen und darin blättern. Das ist das Geschäftsgeheimnis des Antiquariats. Verkaufsdruck oder Hektik gibt es nicht, hier scheint die Zeit ein bisschen stehengeblieben zu sein. Auch in Zukunft wird Dersch auf Internetverkäufe verzichten, dies lenke zu sehr von der Kundenberatung ab.

„Ich muss nicht reich werden dabei, für mich ist das eine Beschäftigung“, sagt der Rentner über seinen neuen Job. Wie überall in der Wirtschaft gibt es auch im Antiquariat einen Wandlungsprozess: „Unterhaltungsliteratur interessiert niemanden mehr“, weiß Bösch, auch das Interesse an Nachschlagewerken lässt stark nach. Heimatkunde und seltene Bücher über Fichtelgebirge und Fränkische Schweiz sind hingegen gefragt. Auch Fachbücher finden ihre Sammler. Die Angebotspalette ist breit: Für einen Euro gibt es den Roman „Gruppenbild mit Dame“ von Heinrich Böll und die Erzählung „Simultan“ von Ingeborg Bachmann, die Endter-Bibel aus dem Jahr 1710 kostet hingegen 400 bis 500 Euro. Die wertvollen Stücke liegen in einem verschlossenen Giftschrank, der eigentlich ein schmucker Wohnzimmerschrank mit zwei Glasflügeln ist.

„Der Geist des Antiquariats bleibt“, verspricht Dersch. Damit meint er die Liebe zu den Büchern in dem kleinen Laden in der Carl-Schüller-Straße 9 in Bahnhofsnähe. Die Leute können sehen, was sie kaufen und wie der Zustand des Buches ist. Falsche Beschreibungen, wie es sie im Internet geben soll, gibt es hier nicht. Dersch hofft, das Stammpublikum zu halten. „Es gibt Leute, die, wenn sie nach Bayreuth kommen, ins Antiquariat gehen“, berichtet er. Hier gibt es für jeden etwas. „Wir machen keinen Unterschied zwischen einem Universitätsprofessor und einem Hartz-IV-Empfänger“, lautet die Devise. Alle Bücherfreunde sind gleich.

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