Karin Kretschmann gestaltet ihr „Filzläuse“-Haus nur mit gebrauchten und selbst gemachten Gegenständen Aus Bäckerei wird eine kunterbunte Werkstatt

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Früher kauften die Kinder des Dorfes hier Himbeer-Glühweinbonbons und selbst gebackene Schaumküsse. Heute steht an der Stelle der Verkaufstheke eine Kleiderpuppe, die einen Damen-Zweiteiler aus grauem Filz trägt.

 
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Entworfen hat die Kleidungsstücke Karin Kretschmann. Sie wohnt seit sieben Jahren in Langenstadt. Im Jahr 2010 kaufte sie mit ihrem Mann die ehemalige Bäckerei an der Hauptstraße am Ortseingang. „Alle anderen Interessenten hatten wohl Angst vor der vielen Arbeit, die sie erwartet“, sagt die schlanke 46-Jährige. Doch das Paar hatte bereits Erfahrung mit der Restaurierung alter Häuser. „Wir wussten, auf was wir achten müssen und sind mit der entsprechenden Einstellung herangegangen.“

Das farbige Gebäude, das jetzt an die fantasievollen Häuser des Architekten Friedensreich Hundertwasser erinnert, sei anfangs „eine Bruchbude“ gewesen. Uralte Elektroleitungen, holzbefeuerte Öfen, kein Wasser. Im Hof steht noch ein Brunnen, in den Sandstein ist die Zahl 1919 eingeritzt. Nach der Bäckerei wurde auf dem Anwesen eine Kohlehandlung betrieben. Der alte Backofen befindet sich noch immer in einem der hinteren Räume, der mittlerweile als Lager dient.

Daneben hat Karin Kretschmann ihre Filzwerkstatt untergebracht. Dort, wo einst der Teig geknetet wurde, walkt sie jetzt australische Marinowolle. Die roten, brombeerfarbenen, beigen und gelben Wollknäuel stecken in einem Holzregal an einer Wand. Daraus entstehen Arbeiten aus Filz: Taschen, Hausschuhe, Jacken, Sitzkissen, Umhänge. In den Filz arbeitet sie andere Stoffe, Perlen oder Blütenformen ein. Weil sie immer mehr Platz für ihr Hobby brauchte, kam sie auf die Idee, das Haus entsprechend umzubauen.

„Ich bin schon immer gerne auf Flohmärkte gegangen und sammele alte Sachen“, sagt Karin Kretschmann, die ihr Gebäude "Filzläuse" getauft hat. So war für sie schnell klar: „Alles was hier war, sollte auch hier bleiben.“ Und über noch mehr Besonderheiten verfügt ihr „Hundertwasserhaus“: Alle Fenster sind gebraucht, jedes sieht anders aus. Sie stammen von Wohnungsauflösungen, dem Sperrmüll, oder sind Spenden aus dem Bekanntenkreis. Ähnlich verhält es sich mit den Fliesen, die sie für die Mosaike an der Fassade verwendet hat. Im Hof steht eine uralte Wäschemangel, die sie vor dem Müllplatz gerettet hat. „Ich finde, es wird viel zu viel weggeworfen“, sagt die begeisterte Sammlerin alter Gegenstände. Mit viel Kreativität gelingt es ihr, für sie wieder einen neuen Platz zu finden.

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