Kälberfang: Wildwest in Oberwaiz

Von Martina Bay

Das letzte der ausgebüxten Kälber war am schwersten zu fangen. Ein Betäubungsmittel musste helfen.

 
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Da steht er nun. Der letzte Ausreißer, das tapferste Kälbchen. Ganz allein. Die Mutterkuh hat die Nacht durchgeschrien. Mehrer Leute folgten ihm seit zwei Tagen. Einer von ihnen ist Martin Höpfel von den Landwirtschaftlichen Lehranstalten. Die ganze Nacht jagte er hinter ihm her. Und immer wieder ist ihm das Bullenkalb entwischt. Bis in den Garten in Oberwaiz. Und selbst jetzt sieht der kleine Bulle nicht danach aus, als ob er aufgeben würde. Sondern eher, als ob er denkt: "Fang mich doch."

Fünf Kälber sind am Dienstagvormittag von den Landwirtschaftlichen Lehranstalten abgehauen, als sie zum ersten Mal auf die Wiese kamen. Auch der Elektrozaun war neu für sie, aber kein Hindernis. "Die rennen durch, wie wenn nix wär", sagt Höpfel. Vier wurden eingefangen, fehlt nur noch der kleine Bulle, der mit seinen 150 Kilogramm Lebendgewicht mitten im Garten des Freizeitheims der evangelisch-reformierten Kirche in Oberwaiz gelandet ist. Und jetzt nicht mehr wegkommt, weil das Tor zu ist.

Foto: Ronald Wittek

"Der kann noch zwei, drei Tage"

Höpfel und den Bullen trennen 50 Meter. Das linke Vorderbein des Kalbes ist leicht geknickt. Muskelkater, schätzt Höpfel. Aber müde sei es noch lange nicht. "Der kann noch zwei, drei Tage." Müde und erschöpft sieht Höpfel dagegen aus. Seit 27 Stunden ist der 56-Jährige ohne Pause auf den Beinen. Er wartet nur noch auf den Tierarzt. In der Hoffnung, dass dieser mit dem Betäubungsgewehr die Jagd beendet und Höpfel endlich ins Bett kann.

Dabei hätten sie ihn schon einmal fast am Südfriedhof in Bayreuth gehabt. "Aber dann hat er wieder Gas gegeben", sagt Höpfel. Nachdem das Kalb dann Richtung Forstmühle lief, verschwand es im Wald. "Da war dann für uns Feierabend", sagt Höpfel. Gegen zwei Uhr am Mittwochmorgen hatten sie den Bullen dann bei Mistelbach aufgespürt, auch der Tierarzt stand schon mit dem Betäubungsgewehr vor Ort. Aber das Kalb war wieder schneller.

Foto: Ronald Wittek

Der erste Schuss geht daneben, auch der Zweite

Auch Tierarzt Josef Willner ist mittlerweile vor Ort in Oberwaiz. Zu dritt nähern sie sich nun dem Tier und das denkt gar nicht daran zurückzuweichen. Es rennt auf seine Fänger zu und springt über sie drüber, als wären sie gar nicht da. "Der ist aggressiv", sagt Höpfel. Der erste Schuss des Tierarztes geht daneben, auch der Zweite. Das Tier rast in Richtung Tor und wieder zurück auf die Wiese. "Das ist jetzt gefährlich, wenn der durch ein Fenster springt", sagt Höpfel.

Also geht das Spiel wieder von vorne los. Höpfel nähert sich von links, der Tierarzt von rechts. "20 Meter muss der Tierarzt ran. Je näher, desto sicherer. Er muss auf die Muskeln schießen, sonst wirkt das Mittel nicht richtig", sagt Höpfel. Der dritte Schuss sitzt. Willner drückt nach kurzem Warten ein zweites Mal ab. Wenn der Adrenalinspiegel hoch ist, wirkt die Betäubungsspritze nicht so gut.

Das Bullenkalb läuft noch ein bisschen umher, dann kommt es langsam zur Ruhe und legt sich auf die Wiese. Höpfel legt ihm noch einen Strick um den Hals und dann geht es mit dem Transporter zurück zu den Landwirtschaftlichen Lehranstalten. Und Höpfel kann jetzt endlich ins Bett.

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