Kabarett: Florian Schroeder im Zentrum

Von Michael Weiser
Intelligentes, politisches undziemlich witziges Kabarett: Florian Schroeder. Foto: red Foto: red

Warum sollte man mehr Optionen oder Alternativen haben als unbedingt nötig? Auch darüber macht sich der  Kabarettist Florian Schroeder in seinem Programm "Entscheidet euch" Gedanken. Man kann überhaupt nicht optimal entscheiden, sagt Schroeder, stellt aber fest: Alternativlosigkeit ist auch keine Alternative. Wir sprachen eine Woche vor seinem Auftritt in Bayreuth mit ihm über die Vorteile Wolfgang Schäubles gegenüber Peter Tauber, über Größenwahnsinn beim Karrierestart und einen bislang unentdeckten Jahrhundertroman von Franz Kafka. 

 
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Ihre ehemaligen Schulkameraden vom Wirtschaftsgymnasium haben wahrscheinlich BWL studiert und scheffeln Geld. Und Sie? Studium der Germanistik und Philosophie. Wie kann man denn nach einer wirtschaftlichen Schullaufbahn so unpraktisch denken?

Florian Schroeder: Ich war nicht auf dem Wirtschaftsgymnasium, weil ich betriebswirtschaftlich begeistert war. Ich war dort, weil es eine Möglichkeit war, nach der Mittleren Reife auf der Realschule ein Abitur zu kriegen und studieren zu können. Ich habe das BWL-Abi mit Ach und Krach bestanden, aber in diesen Oberstufenjahren wurde mir klar, wo meine Begeisterung zu Hause war: In der Philosophie, der Psychologie, der Politik, der Literatur. Und so waren diese Fächer eine notwenige Konsequenz - erst recht für einen, der wegen eines zu schlechten Abis den Psychologie Numerus clausus nie gepackt hätte.

Angefangen haben Sie, kaum zu glauben, anfangs der 90er Jahre. Wie krass muss man drauf sein, sich mit 14 zum Chefzyniker Harald Schmidt zu wagen, um Prominente zu parodieren?

Schroeder: Klarer Fall von Größenwahnsinn. Ich wollte unbedingt zum Radio, zum Fernsehen und hatte auf dem Schulhof erste Erfolge als Parodist gefeiert. Ich war der Überzeugung, was in der großen Pause funktioniert, funktioniert auch im großen Fernsehen. Und dann nahm ich eine Kassette mit dem auf, was ich zu können glaubte: Parodien. Kohl, Blüm, Lindenberg und die ganze Bande.

So ganz können Sie heute noch nicht davon lassen. Wen schätzen Sie zum Parodieren besonders? Als Merkels Praktikant machen Sie ja eine ganz gute Figur...

Schroeder: Ich parodiere den, der aktuell ist und etwas zu sagen hat. Die Frage ist weniger, worauf ich Lust habe, als vielmehr: Wer bietet sich durch Schwachsinn an. Je mehr die Originale durch ein starkes Profil vorlegen, desto besser kann ich sein. Schäuble macht immer noch mehr Freude als Peter Tauber.

"Selbstoptimierung ist Pflicht"

Sie machen Witze über die Qual der Wahl: beim Wählen, bei der Karriere, im Supermarkt, unter Shampoo-Marken....

Schroeder: Auch in der Partnerschaft und beim menschlichen Sterben. Da gucken die Leute immer groß, aber das gehört nun mal auch zu den schwierigen Entscheidungen des Lebens. Und das Schwierige, unterhaltsam erzählt, gehört in ein satirisches Programm. "Komik ist Tragik in Spiegelschrift" heißt es bei "Freundeskreis".

Unter einem Titel, der an das "Empört Euch" von Stephane Hessel erinnert. Sie meinen damit, glaube ich, nicht Wahl von Kaffee-Variationen. Welche Wahl sollen wir denn treffen?

Schroeder: Der Slogan, über den ich mich zwei Stunden lang lustig mache, lautet: "Nur wer alle Optionen kennt, kann optimale Entscheidungen treffen." Habe ich mal durch Zufall aufgeschnappt. Da steckt schon das ganze Problem drin: Auf der einen Seite wollen wir möglichst viele Optionen haben, auf der anderen Seite müssen wir optimale Entscheidungen treffen. Selbstoptimierung ist Pflicht. Das geht aber nicht zusammen: Habe ich viele Optionen, habe ich auch mehr Chancen, Fehler zu machen. Entsprechend kann ich nicht optimal entscheiden. So entsteht ein gewaltiger Druck. Wir laufen Ansprüchen hinterher, die wir nicht erfüllen können.

"Die Leute glauben zu viel von dem Quatsch"

Haben wir noch die Wahl?

Schroeder: Ja, natürlich. Mehr denn je. Aber die Möglichkeiten erhöhen den Stress. Rein genetisch sind wir auf diese Überzahl an Optionen nicht vorbereitet. Unser Gehirn hinkt uns quasi hinterher.

Wo sind Sie denn persönlich überfordert?

Schroeder:  Bei den kleinen Entscheidungen, da, wo die Möglichkeiten endlos sind. Ich kann mich dann verlieren in Details, die am Ende wahrscheinlich kaum eine Rolle spielen. Ich gucke leidenschaftlich Serien und kenne viele Leute, die das auch tun. Und jeder sagt mir, was ich unbedingt als nächstes gucken soll. Nur leider gibt es dann so viele unbedingt sofort zu guckende Serien, wie es Leute gibt.

Sie fordern aber auch persönlich ganz schön viel, und zwar von Ihrem Publikum. Sie haben der Kanzlerin Memoiren angedichtet, mit dem Titel "Der Zauderberg" - als legendären Jahrhundertroman von Franz Kafka...

Schroeder: Das ist ein kleiner ironischer Intelligenztest des Publikums am Anfang der Show. Es kam aber wirklich mal ein Zuschauer zu mir, der glaubte, ich würde wirklich nicht wissen, von wem "Der Zauberberg" ist. Die Leute glauben einfach zu viel von dem Quatsch, der da oben auf der Bühne erzählt wird.

"Wenn das Programm in den Theatern ist, weiß man, was die Texte über einen erzählen"

Wenn Sie sich entscheiden müssten? Ihr Lieblingsbuch von Franz Kafka? Wahlweise auch von Thomas Mann?

Schroeder: Von Thomas Mann ist es die kleine Erzählung "Tonio Kröger" und der "Doktor Faustus". Bei Kafka "Amerika."

Sie zitieren auch mal den bedeutenden Maler Gerhard Richter: "Meine Bilder wissen mehr als ich." Welche Ihrer Scherze haben sich als wahrer erwiesen als gedacht?

Schroeder: Das lässt sich so konkret kaum beantworten. Ich verstehe den Satz anders: Häufig hat man als Künstler, wenn man ein Programm oder auch ein Buch entwirft, eine Idee, einen Blitz, Man spürt, dieses eine Thema könnte die nächste Seite sein, die ich aufschlagen muss. Oft weiß man noch gar nicht so genau, was einen da erwartet, erst recht nicht, warum das am Ende alles einen Sinn haben wird. Erst später, nachdem der Weg gegangen und das Programm in den Theatern ist, weiß man selbst, wie viel einem die eigenen Texte über sich selbst erzählen, wie viel man damals am Anfang gewusst hat, ohne zu wissen. Klingt fast ein wenig esoterisch, ist aber nur handfeste künstlerische Erfahrung.

Quelle: 3sat/Youtube

"Ohne Applaus kann ich nicht leben"

Was durchaus als Kompliment ist: Sie sind schwer einzuordnen. Comedian, Kabarettist, Lifestyle-Kritiker und  Politik-Spötter, in kleinen Hallen zu Hause, aber auch beim hessischen Karneval... Wo gefällt es Ihnen am besten?

Schroeder: Auf der Bühne und im Fernsehen als Moderator meiner SWR-Sendung "Spätschicht". So gerne ich schreibe - ohne den Applaus des Publikums könnte ich nicht leben.

Senken Sie für Auftritte unter Frankfurter Jecken eigentlich die Anforderungen an die Allgemeinbildung?

Schroeder: Nein, null. Wenn Sie die Nummer sehen, merken Sie das auch. Ich habe damals in Frankfurt über die Notwendigkeit des Humors nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo gesprochen, was seinerzeit aktuell war. Ich habe nicht eine Konzession an den Karneval gemacht, weder im Text, noch in der Verkleidung. Das war auch eine Bedingung dafür, dass ich überhaupt komme. Meine Motivation war: Seit Jahren machst du dich über diesen institutionalisierten Humor lustig, warst aber noch nie selbst dabei. Weder als Zuschauer, noch als Künstler. Und dann bin ich hingegangen, weil ich dachte: Wenn es wirklich so schlimm ist, wie du es geglaubt hast, kannst du danach zertifiziert und aus eigener Anschauung darüber lästern (lacht).

"Satire ist immer ein Mittel"

Wie reagiert man als Satiriker eigentlich auf die Dünnhäutigkeit der Menschen heute? Kritik stammt doch heute immer vom System. Oder von der Lügenpresse...

Schroeder: Zur Kenntnis nehmen und weitermachen. Leute, die vom "System" sprechen oder der Lügenpresse und mich für einen ferngesteuerten verlängerten Arm der Politik halten, weil ich in öffentlich rechtlichen Sendern auftrete, werden das auch weiterhin tun. Ich kann nicht alle erreichen und auch nicht alle bekehren. Da ist es besser, sich zu fragen, wie man die, die schon zuschauen, irritieren und sich hinterfragen lassen kann. 

Ist Satire überhaupt noch ein Mittel gegen die neuen Empörten?

Schroeder: Satire ist immer ein Mittel. Ich bin nicht sicher, ob es der Anspruch sein sollte, alle zu erreichen. Wenn der Dialog abgebrochen wird, indem die eigene Sprecherposition absolut gesetzt wird, muss man irgendwann die Waffen strecken.

INFO: Florian Schroeder: Entscheidet euch! Am Freitag, 21. Oktober, um 20 Uhr im Zentrum. Karten an allen bekannten Vorverkaufsstellen. 

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