Auch seine Kollegin von der Polizei kann sich noch gut an die Nacht vor vier Monaten erinnern. "Ich habe viele Leichen in meinem Leben gesehen, in meinen Armen sind auch schon Menschen gestorben. Aber so wie sie - das war schon krass", sagt die 28-Jährige vor Gericht. Der Angeklagte habe ihr gegenüber ohne Regung eingeräumt, dass er seine Schwester vermeintlich im Namen der Ehre erstochen habe. "Das ist kein alltäglicher Einsatz, das hat man nicht oft."
"Ich kann ohne Zukunft leben, aber nicht ohne Ehre"
Wie häufig ein solches Verbrechen vorkommt, weiß die Polizei auf Nachfrage nicht. Statistisch würden Taten nicht nach Vorstellungen von Ehre oder Religionszugehörigkeiten kategorisiert. Solche Morde würden aber "häufig in einem Umfeld begangen, in dem nach traditionell-patriarchalisch definierten Geschlechterrollen gelebt wird", heißt es von der Polizei.
Zu Prozessbeginn liest die Vorsitzende Richterin noch zwei handgeschriebene Zettel vor, die in der Wohnung des Angeklagten gefunden wurden. "Meine Schwester versucht, eine Schlampe zu sein", steht auf einem der Blätter. Und weiter: "Ich kann ohne Zukunft leben, aber nicht ohne Ehre." Der 24-Jährige schweigt vor Gericht, nur ein Mal schnäuzt er sich. Bei der nächsten Verhandlung Anfang Mai werde er sich möglicherweise äußern, kündigte sein Anwalt an. Sein psychischer Zustand werde noch eine wichtige Rolle in dem Verfahren spielen, Alkohol wurde ihm nicht nachgewiesen. Ein Urteil könnte Ende Mai fallen.